Geschichte von Sun Simiao: Medizin, Kultivierung und Tugend (Teil IV)

Sun Simiao ist ein hell strahlender Stern am Firmament der traditionellen chinesischen Medizin-Geschichte. Seine Errungenschaften werden seit über 1000 Jahren gewürdigt und bewundert. Einst lobte ihn Kaiser Taizong aus der Tang-Dynastie wie folgt:

„Einen Pfad öffnend und einen Weg ebnend, bist du der höchste Meister der Medizin; göttlichen Wesen dienend, harmonisierst du Yin und Yang der vier Jahreszeiten. Drachen führend und Tiger anleitend hilfst du jenen in Not und rettest jene in Gefahr; groß und gewaltig bist du ein Vorbild, welchem über ein hundert Generationen folgen.“

Tang Taizong, Kaiser aus der Tang-Dynastie

Für seine eigene Gesundheit kultivierte Sun Tugenden und er half auch der Gesellschaft mit seiner Medizin. Dabei strebte er nicht nach Ruhm oder materiellen Interessen. In seinem Buch QiānJīn YāoFāng („Kostbare Rezepte von Tausend Liang“)[1] betonte er ausdrücklich die Wichtigkeit von hohen moralischen Tugenden. „Ein großer Arzt ist hingebungsvoll und aufrichtig.“ Sun Simiao ist durch alle Zeiten der wahre König der Medizin.

Hier sind einige Beispiele, wo Sun für gute Taten belohnt wurde:

Unerwartetes Geschenk

Eines Tages ging Sun in den Bergen einen schmalen Pfad entlang, als er vor sich einen Tiger sah. Er konnte nicht fliehen, also stand er einfach da. Statt auf ihn zuzurasen, kniete sich der Tiger auf seinen Vorderpfoten hin und machte Kotau vor ihm. Dann öffnete er sein Maul, gerade so, als ob er ihm etwas zeigen wolle.

Der Tiger war sehr dünn und zeigte solch ein ungewöhnliches Verhalten. Sun vermutete, dass er medizinische Hilfe benötigte. Er ging auf das Tier zu und sah, dass sein Rachen schwer geschwollen war. Nach einer näheren Untersuchung, erkannte er, dass ein Knochen sich in beiden Seiten der Tigerkehle fest verkeilt hatte. Aus seiner Medizintasche nahm er einen Metallstab. Dieser diente dazu, den Tierkiefer offen zu halten und den Tiger daran zu hindern, ihn zu beißen. Dann griff er in den Rachen hinein, und zog den Knochen heraus. Er beseitigte auch etwas entzündetes Muskelfleisch an der Stelle, wo der Knochen festgesteckt hatte und trug etwas Medizin auf. Danach entfernte Sun den Metallstab aus dem Maul des Tigers und der Tiger rannte davon.

Es war ein großer Berg und Sun kam auch nach einem halben Tag Wanderung nicht sehr weit. Plötzlich rannte ein Tiger auf ihn zu. Bevor er gewahr wurde, was geschah, hielt der Tiger an. Er legte etwas, das er in seinem Maul getragen hatte auf den Boden und senkte einige Male seinen Kopf, wie wenn er Sun Simiao grüssen wollte. Der Tiger ging danach weg, aber er schaute alle paar Schritte über seine Schulter zurück. Sun hob den Gegenstand hoch, den der Tiger fallen gelassen hatte. Er sah, dass es eine Hirschplazenta-Creme war, ein seltenes und wertvolles Ingrediens in der chinesischen Medizin. Da war es Sun klar, dass der Tiger das Prinzip verstanden hatte, Güte zu vergelten.

Eine Flut überlebt

Ein anderes Mal war Sun zu Fuß unterwegs, als es sintflutartig zu regnen begann. Da erschien ein gigantischer Drache vor ihm in der Luft und landete mit einem lauten Knall vor ihm auf dem Boden. Erstaunt über diese Szene sah Sun, wie der Drache sein Maul in seine Richtung öffnete und mit einer Klaue darauf zeigte.

Der Regensturm legte sich. Sun hielt den Kopf des Drachen und schaute in dessen Rachen. Er sah eine entzündete Schwellung in seinem Hals, die so groß wie ein Dampfbrötchen war. Sun sperrte das Maul des Drachen mit einem Metallstab auf und schnitt mit einem Messer das verfaulte Fleisch weg. Dann trug er Medizin auf, bevor er den Stab herausnahm.

Der Drache öffnete und schloss einige Male sein Maul und schien sich sichtlich wohler zu fühlen. Er nickte Sun zu und verschwand inmitten eines sintflutartigen Regensturms.

Über ein Monat verging, und Sun wollte gerade einen Fluss überqueren. Das Wasser war klar und nur einen halben Fuß tief, aber der Fluss war zwei Li breit (einen Kilometer). Sun krempelte seine Hosen hoch und begann barfuss durch den Fluss zu waten. Als er in der Mitte ankam, begann sich plötzlich eine Sturzflut auf ihn zuzubewegen. Das Wasser stürzte den Fluss hinunter wie eine tosende Lawine, die einen Berg hinunter rast. Es gab keine Zeit, ihr zu entkommen.

Sun war wie betäubt und konnte sich nicht bewegen. Plötzlich erschallte ein lautes Geräusch im Himmel. Ein gigantischer Drache landete flussaufwärts im Fluss und blockierte die Strömung von Ufer zu Ufer. Das Wasser stieg weiter, aber es kam nicht näher. Sun hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken, während er vorwärts taumelte, um das andere Flussufer zu erreichen.

Als er dort angekommen war, schaute Sun auf den riesigen Damm zurück, den der Drache gebildet hatte. Es sah, dass das Wasser sich so hoch wie ein Berg türmte. Sun begann zu verstehen, dass der Drache ihn gerettet hatte, weil er zuvor ihn geheilt hatte.

(Fortsetzung folgt)


[1] Liang ist eine nicht mehr gebräuchliche chinesische Währungseinheit. Der Titel dieser Werke wird auch folgendermaßen übersetzt: „Verschreibungen, die tausend Goldstücke wert sind“, und: „Weitere Rezepte von tausendfachem Goldwert“.

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