In jeder Alltagssituation ein ruhiges Herz bewahren

Am Samstag bin ich mit dem Postauto auf die Stoßstange eines anderen Autos gefahren. Das war eine schwere Prüfung für mich. Der Mann war eigentlich sehr freundlich, aber ich war innerlich ziemlich unruhig. Auch deshalb, weil der Mann dann an Ort und Stelle gleich mit mir einen Unfallbericht ausfüllen wollte, obwohl ich noch Post austragen musste. Ich saß da und bin fast verzweifelt. Also habe ich einfach nichts gesagt und mich sehr beherrscht, obwohl ich mich körperlich und psychisch unwohl fühlte. Nach einer Stunde war es geschafft und der Unfallbericht war fertig.

Am Anfang sagte er zu mir, er hätte Schmerzen und wir sprachen davon, die Polizei hinzuzuziehen; ein Zeuge kam auch noch dazu. Aber als Mensch, der die Wahrhaftigkeit anstrebt, wollte ich die ganze Verantwortung auf mich nehmen und keinen Vorteil anstreben. Dieser eine aufrichtige Gedanke – und schon sagte mir der Mann, dessen Auto ich beschädigt hatte, dass er von einer Anzeige absehe und mir auf keinen Fall Unannehmlichkeiten bereiten wolle. Seine Schmerzen schienen auf einmal nicht mehr da zu sein. Ich sagte ihm, er solle es so handhaben, wie er es für richtig halte und wir füllten gemeinsam das Formular aus.

Obwohl dieser Mann mit mir doch so viele Unannehmlichkeiten hatte, schien es ihm viel weniger als mir auszumachen, seine Zeit nun mit so einem Unfallbericht zu vertrödeln. Als er dann feststellte, dass er ganz in der Nähe von mir wohnte, freute er sich sogar richtig. Am Ende bedankte er sich bei mir. Ich wunderte mich und sagte zu ihm, eigentlich hätte doch nur ich zu danken, da ich ihm den Schaden verursacht hatte. Aber er meinte, er würde sich bedanken, weil er sehr froh war, dass wir uns einig waren und gemeinsam ohne Streitereien das Beste aus dem Schaden gemacht hätten. Er bedankte sich für die gute Zusammenarbeit.

Dann ging ich zur Post. Ich hatte noch viel Arbeit vor mir und es schien mir unmöglich, auch noch die ganzen Pakete auszuliefern. Es war auch schon sehr spät. Die Leute würden sich alle wundern.

Und ich wunderte mich auch. Der Meister sagt im „Zhuan Falun“: „Damit wir uns bei der Umwandlung des Karma gut beherrschen können und die Sachen nicht wie die gewöhnlichen Menschen verderben, sollen wir im Alltag ein barmherziges Herz und eine harmonische, ruhige Herzensstimmung bewahren. Wenn du nun plötzlich auf Konflikte stößt, kannst du gut mit ihnen umgehen. Wenn dein Herz immer so harmonisch und barmherzig ist, hast du einen Spielraum zum Nachdenken, wenn Probleme plötzlich auftauchen. Wenn du im Herzen immer an Streiten und Kämpfen mit andern denkst, sage ich, wenn du auf Probleme stößt, wirst du sofort mit anderen streiten, das ist garantiert so.“ Und so dachte ich die ganze Zeit an den Spielraum.

Ich ging nach Hause und aß etwas. Dann brachte ich die restliche Post und die Pakete zu den Leuten. Alle sprachen mich daruf an, dass es ja schon spät wäre. Ich antwortete, dass etwas dazwischengekommen wäre. Die Leute waren wie immer sehr freundlich zu mir. Ich hatte ein ruhiges Herz bewahrt und bemerkte, dass ich überhaupt nicht mehr müde war und voller Elan von einem Haus zum anderen lief.

Eine Praktizierende aus Deutschland
12.11.2001

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