Das junge Leben trägt den Weg in sich – oder: Vom Findelkind zum Gelehrten und Teemeister

Von klein auf umgibt Lu Yu, der in einem Kloster aufwächst, die Kultur der Teezubereitung und des Teetrinkens. Zeit seines Lebens forscht und dokumentiert er und veröffentlicht zuletzt seinen großen Wissens- und Erfahrungsschatz als umfassenden Nachschlagewerk. Sein Buch „Cha Jing“ wird zu einem Standardwerk.

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Die Legende besagt, dass der Großmeister Zhjiji des Longgai Klosters im Spätherbst an einer Steinbrücke vorbei ging und eine Schar Wildgänse erblickte. Ein seltsames Wimmern machte ihn auf ein Kleinkind aufmerksam, das die Gänse unter ihren Flügeln wärmten. Er nahm den Jungen mit in sein Kloster und zog ihn wie einen eigenen Sohn auf. Aus anderer Quelle wird berichtet, dass Lu Yu 733 n. Chr. in Jingling geboren wurde und als Dreijähriger von seinen Eltern dem Abt des besagten Klosters übergeben wurde. Die Gründe dafür sind unklar, aber dank diesen Umständen wuchs Lu Yu in einem prestigeträchtigen buddhistischen Kloster auf. Er arbeitete in den Teegärten des Klosters und erhielt die Unterweisungen wie alle Mönche. Zum Verdruss des Abtes jedoch wollte Lu Yu kein Mönch werden, sondern weltliche Texte lesen und die konfuzianische Lehre studieren. Um ihm diese Flausen auszutreiben ließ er Lu Yu die härtesten aller am Tempel anfallenden Arbeiten verrichten. Ohne nennenswerten Erfolg.

Als Dreizehnjähriger türmte Lu Yu aus dem Kloster und schloss sich einer Schaustellertruppe an. Dort bekam er die Gelegenheit als Schauspieler, Animateur und Textschreiber Erfahrungen zu sammeln. Aber nicht nur das, er lernte während des Herumziehens auch viele Leute kennen, die ihn später auf seinem Weg förderten. Großmeister Zhjiji gefiel es nicht, dass sein Adoptivsohn sich mit allerlei Leuten abgab und herumreiste. Unter dem Versprechen, von nun an nicht-buddhistische Schriften lesen und Kalligrafie üben zu dürfen, kehrte Lu Yu ins Kloster zurück. Der Gouverneur von Jingling hatte dem wissbegierigen Lu Yu einen konfuzianischen Gelehrten vermittelt, der ihm das nötige Wissen für die Beamtenprüfung lehrte. Während des Studiums begann Lu Yu auch die Gewohnheiten des Abtes was das Teetrinken betraf zu übernehmen. Er übte fleißig und lernte die Kunst des Teeaufbrühens so meisterlich, dass sein Ziehvater keinen Tee mehr trank, wenn dieser nicht von seinem Sohn aufgebrüht worden war. 752 bestand Lu Yu die Beamtenprüfung und bekam eine Anstellung.

Zu Lu Yu‘s meisterlicher Teekunst gibt es eine Anekdote:

„Als Lu Yu seinen Vater wegen der Anstellung verließ, trank dieser keinen Tee mehr. Es konnte eben niemand den Tee so vorzüglich zubereiten wie sein Adoptivsohn. Dies kam dem Sohn des Himmels zu Ohren, der einfach nicht glauben wollte, dass Lu Yu in der Kunst der Teezubereitung nicht zu übertreffen sei. Er überlegte sich einen Weg dies zu beweisen und ließ den alten Mönch in seinen Palast rufen. Eine Hofdame, bekannt für ihr außerordentliches Können, bereitete dem Mönch eine Schale Tee. Der Kaiser sagte: „Ehrwürdiger, probiert diese Schale Tee. Ihr werdet sie so köstlich finden, als wäre sie eigens von Eurem Sohn zubereitet“. Der Abt nippte an der Tasse und stellte sie unverzüglich wieder ab. „Nun“, so dachte sich der Kaiser, „kann ich ihn anführen. Der Mönch will sich doch nur seiner Teekennerschaft rühmen“. In einem Nebenzimmer ließ er den heimlich zu sich bestellten Lu Yu für „einen Gast“ eine Portion Tee aufbrühen. Diese ließ er sodann dem Abt servieren. Aus Höflichkeit kostete er auch von dieser Schale. Zur Überraschung des Himmelssohnes reagierte der Mönch hocherfreut und leerte sie in einem Zug. „Kaiserliche Hoheit, dieser Tee schmeckt tatsächlich so erfrischend, dass mein Sohn ihn nicht hätte besser zubereiten können!“ Sogleich ließ dieser Lu Yu aus dem Nebenraum rufen und freute sich mit den beiden über ihr Wiedersehen. Von nun an war der Kaiser von Lu Yus überragenden Fähigkeiten überzeugt.“ (Quelle: Tee süßer Tau des Himmels)

Lu Yus Karriere verlief vielversprechend. Er konnte sich seinen Herzensangelegenheiten widmen: der Literatur und der Teekultur. Ein unerwartetes politisches Ereignis jedoch, gab seinem Schicksal eine dramatische Wendung. 755 rebellierte General An Lushan gegen den Kaiser Xuanzong (712-756). Er zog mit seiner Armee von Norden her bis in die Hauptstadt Chang‘an, um sich selbst zum Kaiser einer neuen Dynastie auszurufen. Der Hofstaat und viele Menschen flüchteten. Auch Lu Yu begab sich auf die südliche Seite des Yangtse Flusses in Sicherheit. Die neue Heimat wurde für ihn zum Glücksfall, war sie doch ein Ort bekannter buddhistischer Kloster und Teegärten. Er konnte viele fruchtbare Beziehungen mit Berufskollegen seiner Generation knüpfen. Ein besonderer Weggefährte war der Poet Jiao Ran, ein Mönch und Teekenner. Ihre Freundschaft und Zusammenarbeit hielt ein Leben lang.

Lu Yu zog sich später aus dem Beamtenleben zurück und lebte als Einsiedler in bescheidener Behausung. Er widmete sich ganz seinen schriftlichen Arbeiten. Sein gesammeltes Wissen über die Teekultur fasste er zu einem Buch zusammen. Das „Cha Jing“ enthielt nicht nur Texte zur Kulturgeschichte, der Teepflanze, der bekanntesten Anbaugebiete und der Tee-Herstellungsverfahren. Er erklärte auch die Gerätschaften und die Methodik, um das Getränk optimal aufzubereiten und servieren zu können. Auch eine Anleitung zum Trinken des Tees ergänzte die Schrift. Nach mehreren Revisionen und Ergänzungen wurde sein Werk 780 veröffentlicht. Lu Yu kehrte danach für wenige Jahre in den staatlichen Dienst zurück. 804 starb er.

Ein Video zur Geschichte des Tees:

Quellen: Tee süßer Tau des Himmels, von Andreas Gruschke, Andreas Schörner und Astrid Zimmermann, DTV 2001, Seiten 39-44, Tea in China, A Religious and Cultural History by James A. Benn, University of Hawaii Press Honolulu 2015, Seiten 96-111, Gedichte aus der Tang Dynastie, von Barbara Maag, 2003, Books on Demand GmbH, Seite 84.

Bild: Im Vordergrund wird Tee für die Versammlung zubereitet. (©The Collection of National Palace Museum Taipei, Taiwan), Video von NTD TV.

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