NZZ (Ch): Peking bezeichnet die Sars-Krise als gravierend

15. April 2003, 02:21, Neue Zürcher Zeitung

us. Tokio, 14. April Gemäss einer von der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua am Montag verbreiteten Meldung hat der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao an einer Krisensitzung zum schweren akuten Atemwegsyndrom (Sars) die Lage als gravierend bezeichnet. Viele Fortschritte seien zwar bei der Bekämpfung der Krankheit bereits gemacht worden, und die Epidemie sei in einzelnen Regionen unter Kontrolle gebracht worden. Doch die Gesamtsituation bleibe ernst. Gemäss den letzten, am vergangenen Freitag von den Behörden bekannt gegebenen Daten sind in China insgesamt 1344 Personen an Sars erkrankt und 60 an der Krankheit gestorben. Die jüngsten Todesfälle wurden aus der Inneren Mongolei gemeldet, einer Region, aus der bisher keine Sars-Fälle bekannt geworden waren. Nach offiziellen Angaben sind bis dahin in acht Provinzen Erkrankungen an Sars gemeldet worden.

Cathay Pacific fliegt vorerst weiter

Über das Wochenende hatte sich Staats- und Parteichef Hu Jintao in die südchinesische Provinz Guangdong begeben, wo die Krankheit vermutlich ihren Ursprung hat. Die Behörden in Guangdong hatten den Ausbruch von Sars lange verheimlicht und gegenüber der lokalen Bevölkerung heruntergespielt. Sie hatten damit höchstwahrscheinlich zur Verbreitung der gefährlichen Krankheit in China und in der weiteren Welt beigetragen. In Guangdong traf Hu auch mit dem Chef der Hongkonger Verwaltung, Tung Chee- hwa, zusammen. Neben China ist die ehemalige britische Kolonie das bisher am schwersten in Mitleidenschaft gezogene Territorium. Über 1000 Personen sind da an Sars erkrankt und über 40 daran gestorben. Die Zahl der täglich neuen Fälle zeigt noch keinen eindeutigen Trend in Richtung Besserung, und der Tod von 4 Patienten, die jünger als 55 Jahre waren, hat am Sonntag gar der Meinung Auftrieb gegeben, das Virus, dem bisher vor allem ältere und kranke Personen erlegen waren, könnte neue Virulenz erhalten haben. Von medizinischer Seite wurde dies allerdings gleich dementiert. Auch kommt es bisher nicht zu der drastischen Maßnahme einer vollständigen Einstellung aller Flüge der Hongkonger Fluggesellschaft Cathay Pacific, über die am Wochenende wegen eines in die Zeitungen gelangten hausinternen Memorandums spekuliert worden war. Der Tonfall der offiziellen Verlautbarungen in Peking wird jedoch immer ernsthafter. Noch Mitte März dominierten Geheimniskrämerei und eine gebetsmühlenhafte Versicherung, dass man die Dinge unter Kontrolle habe. Auch hatten sich die Behörden lange Zeit mit der Bereitstellung von Daten höchst zurückhaltend gezeigt. Der Gesundheitsminister Zhang Wenkang machte eine schlechte Figur. Seit wenigen Tagen scheint die alleroberste Spitze der chinesischen Autoritäten, Hu Jintao und Wen Jiabao, die Krise, die, so sie nicht bald unter Kontrolle gebracht werden kann, ein Potenzial für erhebliche wirtschaftliche und soziale Verwerfungen besitzt, zur Chefsache erklärt zu haben.

Der Tag der Arbeit als Gefahr

Mit dem 1. Mai präsentiert sich bereits ein neuer gefährlicher Test am Horizont. Zum Tag der Arbeit gibt es in China rund eine Woche Ferien, und viele machen sich für diese Tage auf die Reise, was für die Eindämmung der Sars- Krise verheerende Konsequenzen haben könnte. Die Regierung hat bereits bekannt geben lassen, dass im ganzen Land an wichtigen Verkehrsknotenpunkten wie Flughäfen, Bahnhöfen und Anlegestellen von Fähren Quarantänestationen eingerichtet werden. Obschon die behördlichen Angaben nun reichlicher fließen und die Medien energischer über die Krankheit und deren Gefahren berichten, kann aber noch immer nicht von ausreichender Transparenz die Rede sein. Selbst in der Kapitale bezweifeln viele, dass die von den Behörden für Peking bekannt gegebenen zwei Dutzend Sars-Fälle die ganze Wahrheit seien. Weitherum ist die Rede von erheblich größeren Zahlen.

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