FAZ (D): Zensur im Internet

Peking geht gegen Online-Publikationen vor / Festnahmen

P.K. PEKING, 18. Dezember. Die chinesischen Sicherheitsbehörden gehen immer schärfer gegen politische Meinungsäußerungen im Internet vor. Nachdem vor einem Monat bereits die 22 Jahre alte Psychologiestudentin Liu Di wegen Publikationen im Internet verhaftet wurde, wurde jetzt bekannt, daß auch der Computeringenieur Li Yibin festgenommen wurde, der eine Online-Publikation „Demokratie und Freiheit“ herausgegeben hatte.

Nach Angaben der in New York ansässigen Organisation „Human Rights in China“ sind beide verschwunden. Den Angehörigen wurde offiziell weder mitgeteilt, was ihnen vorgeworfen wird, noch, wo sie festgehalten sind. Es sollen noch mehr Internet-Aktivisten verhaftet worden sein. Da viele dieser vornehmlich jungen Leute keinen Kontakt mit dem Ausland pflegen, wird über ihr Schicksal selten etwas bekannt.

Liu Di, eine Studentin der renommierten Peking-Universität war am 7. November festgenommen worden. Sie hatte bereits seit einiger Zeit satirische Kommentare im Internet publiziert. Offenbar war sie den Sicherheitsbehörden, die sich im Oktober und im November um eine „gute Atmosphäre für den Parteikongreß“ bemühten, aber zu weit gegangen, als sie dazu aufgerufen hatte, auf dem Platz des Himmlischen Friedens das Kommunistische Manifest als Flugblatt zu verteilen. Das Sicherheitsbüro ihrer Universität teilte mit, daß die Studentin formell wegen Kontaktes zu einer subversiven Organisation festgenommen sei. Ihre Familie bestritt dies aber, und ihre Großmutter sagte, sie hätte bis heute keine offizielle Mitteilung über den Verbleib ihrer Enkelin.

Die chinesische Regierung zieht das Netz um das Internet in China immer enger. Zwar rühmt sie sich damit, daß China 45 Millionen Internet-Surfer hat, doch was diese lesen, will sie gern selbst bestimmen. Bereits vor einem Jahr hat sie Internet-Betreiber, auch ausländische Anbieter, dazu aufgefordert, eine Selbstverpflichtung abzugeben, nach der sie „schädliche Inhalte“ melden und Daten über Nutzer und Identitäten speichern und bei Bedarf an die Sicherheitsbehörden abgeben müssen. Die meisten Betreiber sind dieser Aufforderung nachgekommen.

Alle E-Mails in China werden nach „subversiven“, das heißt vor allem politischen und religiösen Inhalten durchsucht, und Nachrichten, die indizierte Schlüsselworte wie etwa den Namen der … Falun Gong enthalten, werden abgeblockt. Die Websites von Nachrichtenagenturen oder ausländischen Sendern wie BBC und CNN oder chinesischer Publikationen aus Taiwan, Hongkong oder den Vereinigten Staaten sind für die meisten chinesischen Internet-Nutzer kaum noch zugänglich. Auch die neue Parteiführung unter Hu Jintao ist offenbar entschlossen, die Stimmen des Dissenses, die sich in China überall regen, nicht laut werden zu lassen. Neben dem Internet wird auch die Presse verstärkt unter Druck gesetzt. Im nächsten Jahr müssen sich alle chinesischen Journalisten einem nicht näher spezifizierten Eignungstest unterziehen. Außerdem wird es neue Richtlinien für die Neuzulassung von Publikationen geben.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.12.2002, Nr. 295 / Seite 6

Alle Artikel, Grafiken und Inhalte, die auf Yuanming.de veröffentlicht werden, sind urheberrechtlich geschützt. Deren nicht-kommerzielle Verwendung ist erlaubt, wenn auf den Titel sowie den Link zum Originalartikel verwiesen wird.

Das Neueste

Archiv