NZZ (CH): Chinas Medien an noch kürzerer Leine

Das chinesische Regime will die Medien des Landes an eine noch kürzere Leine legen. Politische Eignungstests für Journalisten und eine verstärkte Überwachung des Internets sollen die Verbreitung systemkritischer Inhalte verhindern.

omn. Peking 10. Dezember

Chinas Journalisten sollen zukünftig noch stärker als bisher auf die Parteilinie eingeschworen werden und darum periodisch Eignungsprüfungen ablegen müssen. Die Arbeitslizenzen für Reporter in den Print- und den audiovisuellen Medien seien «keine lebenslange Garantie», verlautete aus der Staatlichen Verwaltung für Presse und Publikationswesen. Offiziell hiess es, das neue Prüfungssystem solle den Wettbewerb zwischen den rund 500 000 Journalisten des Landes fördern und die Qualität der Berichterstattung verbessern. Die Journalisten müssten in den Tests nachweisen, dass sie mit den Bestimmungen für Publikationen, mit dem Nachrichtenwesen, der staatlichen Politik für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, aber auch mit der Ideologie der Kommunistischen Partei vertraut sind.

Linientreue Berichterstattung
Schon jetzt gibt es strenge politische Auflagen für die Medien. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, muss damit rechnen, an einen weniger wichtigen und schlechter bezahlten Arbeitsplatz versetzt und in schweren Fällen entlassen zu werden. Zukünftig aber dürfen die Medien nur noch Bewerber einstellen, die den Test durchlaufen haben. Wer durchfällt, darf erst nach drei bis fünf Jahren einen neuen Versuch wagen. Die Prüfungen sind vom Ministerium für das Personalwesen verordnet worden und sollen von der Staatlichen Verwaltung für Presse und Publikationswesen überwacht werden. Unter chinesischen Journalisten wird nun befürchtet, dass sich die Partei damit ein zusätzliches Auswahlsystem schafft, das allein die linientreue Berichterstattung zulässt und eine kritische Sicht oder auch nur die investigative Recherche ausschliesst.
Sorge machen den Behörden vor allem Berichte über die Korruption auf höherer Ebene und alles, was die negativen Seiten der wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen im Lande aufdeckt. Dazu gehören schwere und oftmals von den lokalen Behörden gedeckte Umweltskandale ebenso wie die Arbeiterproteste im Nordosten des Landes oder Details über die Wirtschaftskriminalität unter Partei- und Regierungskadern. Dabei befinden sich die Medien in einem Dilemma, weil sie – mit wenigen Ausnahmen – keine staatlichen Mittel mehr bekommen, sondern sich im freien Wettbewerb behaupten müssen. Drucken und senden sie nur politisch korrekte und gefilterte Informationen, haben sie auf dem immer anspruchsvolleren Markt keine Chancen mehr. Überschreiten sie aber die gesetzten Grenzen, weil sie Umsatz und Quoten erreichen müssen, um Kunden und Werbung zu bekommen, riskieren sie ein Verbot.

Verschärfte Zensur im Internet
Erst kürzlich ist auch die Zensur im Internet erneut verschärft worden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf den Behörden in einem Bericht über die «Staatskontrolle im Internet in China» vor, eine neue Gruppe von politischen Häftlingen zu schaffen, weil gegenwärtig wenigstens 33 Personen wegen angeblicher Internetkriminalität in Haft sitzen. So sei Li Dawei zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt worden, weil er sich aus dem Netz Artikel von Dissidentenorganisationen heruntergeladen hat. Derartiges gilt als Subversion und ist ebenso verboten wie der Verrat von Staatsgeheimnissen, regierungsfeindliche Propaganda oder Pornographie. China hat derzeit rund 46 Millionen Internetnutzer. Da die Regierung in den letzten 18 Monaten die Telefongebühren mehrmals gesenkt hat und die Computerpreise stetig fallen, ist die Tendenz stark steigend. Allein im letzten Jahr sind umgerechnet 31 Milliarden Dollar in die Informationsindustrie investiert worden.

Die Regierung weiß, dass Online-Informationen für die Modernisierung und das hohe Wachstum unerlässlich sind. Die Inhalte aber will sie unter Kontrolle behalten – mit zweifelhaftem Erfolg. Die Zensur scheint nämlich oft willkürlich und unbeholfen. Während viele internationale Zeitungen frei zugänglich sind – darunter alle aus Deutschland, der Schweiz und Österreich -, sind andere permanent oder zeitweise gesperrt. Die Internet-Informationen tibetischer Exilgruppen, vieler taiwanischer Zeitungen und von Falun Gong bleiben grundsätzlich in den Filtern hängen. Die «New York Times», die «Washington Post», die in den USA ansässige Nachrichtenagentur AP oder CNN-Online sind offen zugänglich, nicht aber die Website der britischen BBC. Zu manchen Zeiten sind die Informationen von Amnesty International online abrufbar, zu anderen Zeiten wieder nicht. Regierungskritische Beiträge sind mitunter selbst in den Chatrooms der Parteizeitungen zu finden, werden dann aber auch wieder blockiert. Amnesty International und andere internationale Organisationen haben inzwischen westlichen Konzernen vorgeworfen, China mit Software für die Internetzensur zu beliefern. Anbieter wie Yahoo oder die Murdoch-Gruppe wiederum üben sich in Selbstzensur, um auf dem wachsenden Markt bestehen zu können und nicht den Unwillen des Zensors zu riskieren.

Neue Zürcher Zeitung, Ressort Ausland, 12. Dezember 2002

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