Süddeutsche Zeitung: Chinas Regierung hat die Suchmaschine „Google“ gesperrt, Chinas Netznutzer erfinden immer neue Wege, doch dorthin zu gelangen

Peking – Es ist ein ungleicher Kampf. Hase gegen Igel? Jetzt – mitten im Rennen – ist noch nicht klar, wer verblüffter Hase und wer triumphierender Igel sein wird. David gegen Goliath: dort eine Regierung, die ihr Volk für dumm verkaufen will, hier Bürger, die das nicht mit sich machen lassen. Vordergründig geht es um eine Suchmaschine, die erfolgreichste, schnellste der Welt: Google. Die China seinem Volk verbietet seit mehr als einer Woche. Hier wird eine kleine Schlacht geschlagen an einer Front, die unendlich viel länger ist: Es geht um den Krieg der Diktatur gegen die Information. Die sich einschleicht, die sich Bürger einfach holen, per Internet.

Als Chinas Internetnutzer merkten, dass die Regierung Google gesperrt hatte, waren sie erst verblüfft. Man war gewohnt, dass Peking Websites vermeintlich subversiven Inhalts sperrt: Ewa eine halbe Million sind bei den Zensoren in Ungnade. Erstmals erwischt es nun eine Suchmaschine. Die zweite Reaktion war Zorn. „Jetzt langt’s!“, schrieb ein Surfer, „Wut!“ ein zweiter in einem Chatroom: „Alles nur, weil die Partei ihre Diktatur verteidigt! Hoffen wir, dass China bald Meinungsfreiheit bekommt.“ Genau daran gehen die Leute nun: Sie basteln sich ihr Podium für Meinungsfreiheit. Widerstand organisiert sich – und überall taucht das verbotene Ding auf: Google, maskiert, und stets bereit zur Flucht.

In China soll es 45 Millionen Internetnutzer geben. Ginge es nach der Regierung, so surften die Chinesen nur in Internet-Cafés, die ihre Daten und Fährten ihrer Online-Besuche direkt an eine Internet-Polizei weitergeben, oder von zu Hause auf blitzblank gesäuberten, heimischen Websites. Zu den Anbietern, die sich gegenüber Peking zur Zensur verpflichtet haben, gehört auch „Yahoo!“, was dem Unternehmen von Menschenrechtler von „Human Rights Watch“ den Vorwurf einbringt, es mache „sich zum Partner in der Verletzung von Meinungsfreiheit“. Aber auch Chinas Surfer haben schnell gemerkt, dass man bei Google zum Suchwort „Jiang Zemin“ mehrere 100000 Resultate erhält, beim chinesischen Yahoo! nur 710. Wahrscheinlich war Google besonders wegen seiner „Archiv“- Funktion Peking ein Dorn im Auge: Anderswo blockierte Websites konnte man sich als Kopie aus dem Google-Computer holen. Dabei geht es wohl nur den wenigsten um verbotene Falun-Gong- oder Demokratie-Seiten, die meisten nutzten Google für ihre Arbeit.

Der Zorn von Chinas Netzrebellen erschöpft sich nicht in Beschimpfungen ihrer Regierung („neue Kulturrevolution!“) und von Yahoo („ein Haufen Mist!“): Sie bohren Löcher in die Mauer der Überwachung. In Chaträumen und E-mails tauscht man Ausweichadressen. „Wo Unterdrückung ist, ist auch Widerstand“, steht über so einer Mail. Anonyme Webmaster stellen Seiten ins Netz mit neuen Google-Adressen. Die Reaktion der Besucher: „Go go go!“, feuert einer den Webmaster von google.dnsgo.com (142000 Besuche bis Montagabend) an. „Du bist ein Ritter wie aus dem Märchen“, schwärmt ein anderer. „Das ist wahrer Patriotismus“, schreibt Wei Bomao, und „hwahsing“ zieht den großen Vergleich: „Was ist das?“, schreibt er über zivilen Ungehorsam im Netz: „Der furchtlose Geist der Revolution! Das ist eine noble Tat wahrer kommunistischer Selbstlosigkeit!“

Einziges Problem: Die Polizei liest mit. „Ausweich-Server zu veröffentlichen ist zugleich ihr Tod“, formuliert ein Diskutant – und fügt trotzig 20 solche Server an: Einige Stunden freies Googeln. Dann, Montagabend 17.49 Uhr, stellvertretend für alle der Hilferuf von „Frank“: „Himmel!! Keiner funktioniert mehr!“ Hase und Igel laufen wieder.

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