Liechtensteiner Volksblatt Politik : Über Demokratie und Menschenrechte

«Wahre Demokratie ist», proklamierte Wei Jingsheng, «wenn das Volk das Recht hat, nach seinem Willen seine Vertreter zu wählen, und diese entsprechend dem Willen und den Interessen des Volkes handeln.»

Für den bekannten chinesischen Bürgerrechtler gehören Demokratie und Menschenrechte zusammen. Wegen seiner Auffassungen war er 18 Jahre lang in Gefängnissen seiner Heimat eingesperrt. In Liechtenstein sprach er am 20. September 2001 von der Arroganz chinesischer Politiker und plädierte für wirtschaftliche Sanktionen gegen China. Gefragt, was er für den grössten Fehler westlicher Chinapolitik hält, nennt Wei ohne Zögern den Verzicht
auf eine Verurteilung Pekings durch den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen.
Wer – wie verschiedene europäische Politiker – den eigenen Verzicht auf eine Verurteilung der Menschenrechtsverletzungen in China damit rechtfertige, dass Regierungen anderer westlicher Staaten dagegen gewesen seien, gefährde die Unabhängigkeit der eigenen Politik.

Wirksame Menschenrechtsarbeit ist die beste Waffe gegen den Terrorismus. Es sei darauf hingewiesen, dass ca. 15 000 Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) weltweit freiwillige
Meschenrechtsarbeit leisten. Dort, wo Menschenrechtsverletzungen verübt werden, liegt auch der Nährboden für die Gegengewalt und Terrorismus, wie das Beispiel Afghanistan deutlich macht. Duldung von Menschenrechtsverletzungen aus politischen
Allianz-Überlegungen heraus führt in der Regel zu Situationen, in denen die Gewalt die Geschehnisse bestimmt. Auch hierfür ist Afghanistan ein Beispiel.

Es darf nicht sein, dass totalitäre Regimes wie z.B. die VR China staatlichen Terror propagandistisch zur Terrorismusbekämpfung ummünzen und dafür auch noch die
schweigende Zustimmung des Westens ernten. Nochmals: Wirksame Menschenrechtsarbeit ist die beste Waffe gegen den Terrorismus.

Tibeter, Uiguren und Angehörige der Falun Gong werden immer häufiger Opfer der chinesischen Sicherheitskräfte. In den Sommermonaten 2001 wurden 12 000 buddhistische Nonnen und Mönche aus ihren Klöstern in Tibet vertrieben und verfolgt. Verschiedenste NGOs weisen inzwischen westliche Öl- und Erdgaskonzerne, die in Singkiang und Tibet investieren, auf ihre Mitverantwortung für die Massenexekutionen von Uiguren und die Vertreibungen der Tibeter hin. Nach den Terroranschlägen in den USA hat China seine Mitarbeit in der globalen Anti-Terror-Koalition angeboten. Die USA äußerten sich zufrieden über erste Konsultationen mit chinesischen Sicherheitsexperten. Für die Kooperation wird
jedoch eine Gegenleistung erwartet. Nach Jahren massiver Kritik des Westens an Menschenrechtsverletzungen in China müsse die Weltöffentlichkeit nun endlich verstehen, wie
wichtig die Terrorismusbekämpfung im Reich der Mitte sei, argumentieren die Machthaber in Peking in ihrer Gerissenheit. Als Terroristen bezeichnet Chinas Führung nun auch eine breite Mehrheit von friedlich für die Erhaltung ihrer Kultur und Religion eintretenden Tibeter.

Tibet seit dem 11. September 2001

Seit den Terrorangriffen auf die Vereinigten Staaten vom 11. September liess Peking Hunderte mutmasslicher Separatis-ten in der «Autonomen Region Tibet» verhaften.
Westliche Diplomaten in Peking berichten, die Aktionen gegen sogenannte tibetische «Abspalter» seien im Rahmen einer harten nationalen «Durchgreif»-Kampagne beordert
worden, welche Mitte September lanciert wurde und auf Terroristen, Separatisten und «religiöse Extremisten» abzielt.

Im Gegensatz zu uigurischen Separatisten in Singkiang, welche angeblich mehrere bewaffnete Aktionen in Xinjiang geplant haben sollen, gibt es nach Aussagen der Diplomaten keine Berichte über Tibetaktivisten, welche sich terroristischer Taktiken bedienten. Dennoch werden in internen Dokumenten, welche seit Mitte September im Umlauf sind, «Abspalter» in Singkiang und Tibet ebenso wie die Meditationsbewegung Falun Gong, von den chinesischen Behörden als terroristische Organisationen eingestuft.

Katastrophale Menschenrechtslage in China und Tibet

Die Lage der Menschenrechte im chinesischen Herrschaftsbereich, vor allem in Tibet, in Ostturkestan und der Inneren Mongolei, ist katastrophaler als je zuvor in den letzten 30 Jahren. In China sind seit April 2001 nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International mindestens 1781 Personen hingerichtet worden. In der Volksrepublik sind damit laut AI mehr Menschen exekutiert worden als während der vergangenen drei
Jahre in der übrigen Welt. Die tatsächliche Zahl der Hinrichtungen liegt vermutlich höher.
Offizielle Statistiken werden nicht veröffentlicht und Medienberichte zensiert.

Wer demokratische Parteien aufbaut oder Meinungsfreiheit im Internet praktizieren möchte, muss mit langjährigen Haftstrafen rechnen. Allein in den letzten Monaten wurden mehr als 8000 Internet-Cafés von den Behörden geschlossen.

In Tibet wird der wahrscheinlich jüngste politische Gefangene der Welt, der 10-jährige Gedhun Choekyi Nyima, noch immer von chinesischen Sicherheitskräften festgehalten. Der Junge war 1995 in chinesischem Auftrag entführt worden, nachdem er vom Dalai Lama als
Reinkarnation des Panchen Lama erkannt worden war.

Das offizielle Liechtenstein sollte sein Menschenmöglichstes (vor der UNO) unternehmen,
damit der jüngste politische Gefangene der Welt unverzüglich freigelassen wird.

(Quellen: «Gesellschaft für bedrohte Völker», «Amnesty International»)

Hansjörg Quaderer, Präsident der NGO «Tibet-Unterstützung Liechtenstein»

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