Gefoltert und gedemütigt

[Allgemeiner Anzeiger am Sonntag
Ausgabe Jena – Sonntag, 11. November 2001] China ist nicht nur ein von Deutschland hofierter Wirtschaftsstandort. In China werden nach wie vor Menschenrechte gröblichst verletzt. Die chinesische Regierung lässt sich allerdings nicht gern hineinreden. Am Sonntag sprach mit Cui-Ying Zhang, einer Frau, die sich der Verbreitung der Methode des Falun Gong verschrieben hat, in chinesischen Gefängnissen litt, gedemütigt und gefoltert wurde und nun durch die Welt reist, um über die Wahrheit zu sprechen.

AA: Frau Zhang, können Sie kurz etwas zu ihrer Person sagen?
Zhang: Ich wurde am 13. Mai 1962 in Shanghai geboren. Von Beruf bin ich Malerin. Bisher hatte ich in mehr als 10 Ländern eigene Gemäldeausstellungen und konnte zahlreiche Preise holen. Mein Mann fand 1997 zur Methode des Falun Gong, später auch ich. Über meinen Mann erhielt ich zudem die australische Staatsbürgerschaft und wurde im November 2000 mit Hilfe der australischen Regierung aus chinesischer Haft entlassen. Seitdem wohnen wir in Sydney. Seitdem reise ich aber auch durch die Welt, kläre auf und suche Unterstützung für den SOS-Notruf zugunsten der Falun Gong Praktizierenden

AA: Was ist Falun Gong?
Zhang: Falun Gong ist eine chinesische Qi-Gong-Schule. Es ist einer Meditationspraxis sehr ähnlich. Falun Gong besteht aus fünf Übungen und einer anleitenden Lehre, die Körper und Geist harmonisieren und sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Die Lehre des Falun Gong basiert auf den Prinzipien „Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit, Nachsicht“.

AA: Können Sie kurz etwas über die Übungen sagen?
Zhang: Der innere Lern- und Wachstumsprozess wird durch die fünf harmonischen und leicht erlernenden Übungen ergänzt. Sie unterstützen die energetischen Prozesse, sorgen dafür, dass Energieblockaden gelöst werden und der Körper in seinen ursprünglichen Zustand versetzt wird. Die Übungen sind flexibel im Alltag einsetzbar und können zu jeder Tages- und Nachtzeit praktiziert werden. Insgesamt gibt es fünf Übungen: Der Buddha streckt Tausend Hände aus; Die Falun-Pfahlstellung; Die beiden kosmischen Pole; Der Falun-Himmelskreis; Die Verstärkung der göttlichen Kräfte.

AA: Was bewirkt Falun Gong?
Zhang: Von fast allen Praktizierenden wird von einer deutlichen gesundheitlichen Verbesserung, mehr Gelassenheit und innere Ruhe und einer Steigerung der Konzentrationsfähigkeit und der physischen Leistungsfähigkeit gesprochen.

AA: Wo werden die Übungen ausgeübt?
Zhang: Falun Gong wird überwiegend draußen in Parks geübt und ausschließlich kostenlos weitergegeben. Es gibt keine Mitgliederlisten. Jeder, der möchte und interessiert ist, kann Falun Gong lernen. Es geht ganz leicht.

AA: Wie verbreitet ist Falun Gong?
Zhang: Nach meinem Wissen wird diese Meditationsmethode in nahezu 40 Ländern praktiziert, in Deutschland an rund 100 verschiedenen Plätzen.

AA: Seit wann gibt es diese Methode in China?
Zhang: Eigentlich muss man „gab“ sagen. Die Methode gibt es in China schon sehr lange, aber 1992 wurde sie erstmals öffentlich vorgeführt. Damals gab es auf allen Seiten Begeisterung. Durch die überzeugende Wirksamkeit der Methode hatte sie in kürzester Zeit Millionen von Menschen begeistert. Zunächst gab es sogar von der Chinesischen Regierung Lob.

AA: Wieso „gab“?
Zhang: Bereits 1996 setzte die Verfolgung der Falun Gong Praktizierenden ein, am 20.Juli 1999 wurde Falun Gong offiziell als Sekte eingestuft und verboten. Seit dem geht es den Falun Gong Leuten in meiner Heimat sehr schlecht.
Sie sitzen in chinesischen Gefängnissen oder Arbeitslagern, einige fanden bereits in den Gefängnissen und Arbeitslagern den Tod. Deshalb der SOS-Ruf in der ganzen Welt: Rettet die Falun Gong Praktizierenden. Ich selbst habe bisher 20 Länder bereits besucht.

AA: Wie erklärt sich das rigide Vorgehen der chinesischen Regierung?
Zhang: Ich denke, der große Zulauf zu Falun Gong machte der Regierung plötzlich Angst. Selbst viele Mitglieder der KP machten Falun Gong. Geschätzt sind es in China 70 Millionen und 30 Millionen im Ausland, die sich mit dieser Methode befassen. Mit der Einstufung als Sekte wurde Falun Gong illegal. Das erleichtert der Regierung und der Polizei das Vorgehen gegen die Menschen. Falun Gong ist aber keine Organisation. Es gibt weder einen Führer noch irgendeine Organisationsstruktur. Angst machen der Regierung wahrscheinlich solche Prinzipien wie Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht.

AA: Haben Sie „Verfolgung“ am eigenen Leib verspürt?
Zhang: Mehr als einmal. Ich selbst litt an Arthritis und hatte mit Falun Gong gute Erfahrung gemacht. Diese wollte ich den Menschen in China mitteilen. Aber ich erwarteten acht Monate Qualen in vier verschiedenen chinesischen Gefängnissen. Am 31.12.1999 war ich in meiner Heimat, um mir auf dem Tiananmen-Platz die Nationalfeierlichkeiten anzusehen. Dort wurde ich als Falun Gong Praktizierende sofort verhaftet, in ein Polizeiauto geschleppt und geschlagen. Am 26. Januar 2000 machte ich Falun Gong Übungen im Rending-See-Park von Peking.
Wieder wurde ich festgenommen und grundlos geschlagen. Anschließend brachte man mich ohne Gerichtsverfahren ins Xicheng-Gefängnis von Peking.
Am 4.Februar 2000 saßen mein Mann und ich in einem Restaurant. Sofort wurden wir verhaftet und in das Kriminalgefängnis von Peking gebracht.
Hier legte man uns mit zum Tode Verurteilte zusammen, es gab Schlafentzug, in der größten Kälte wurde ich gezwungen, mit erhobenen Händen, barfuß auf dem Zementboden zu stehen. Mehrere Polizisten zwangen mich dann, eine Verzichtserklärung auf meine australische Staatsbürgerschaft zu schreiben.

AA: Sind sie dann immer noch belästigt worden?
Zhang: Der „Höhepunkt“ kam erst noch. Ich flog am 5. März nach China zum Volkskongreß. Ich hoffte darauf, einen Volksvertreter zu treffen, um ihn über mich und die anderen Falun Gong Praktizierenden berichten zu können. Aber soweit kam ich gar nicht. Als ich meinen Fuß auf chinesischen Boden setzte, wurde ich kontrolliert. Man fand einen Brief an den Ministerpräsidenten Zhu und Falun Gong Bücher. Wieder wurde ich geschlagen, diesmal so auf das Ohr, dass ich mehrere Tage nichts hörte. Anschließend kam ich ohne Gerichtsverfahren für fünf Monate ins Gefängnis. Diese fünf Monate erhöhten sich laut Befehl von Jiang Zemin auf acht Monate. Sieben Monate davon war mir jeder Hofgang verboten. Ich wurde geschlagen und gedemütigt. Mit Eisenketten gefesselt wurde ich dann für einige Zeit ins Männergefängnis gesperrt. Auch hier gab es die verschiedensten Demütigungen und Schikanen. So musste ich auf dem Fußboden schlafen, mit dem Kopf im Klo. Mein gesamtes Eigentum wurde beschlagnahmt. Für jemandem, der mich schlug, gab es Gefängniserleichterungen. Der Gefängnisaufenthalt war die reine Hölle. Hinzu kam die Arbeitsausbeutung. Mit einem Hungerstreik wollte ich gegen diese Mißstände protestieren.
Schließlich war es der australischen Regierung gelungen, mich aus dieser Lebensgefahr zu retten.

AA: Gibt es noch andere Beispiele?
Zhang: Natürlich. Falun Gong Praktizierende kamen bereits in chinesischen Arbeitslagern und Gefängnissen ums Leben, andere wurden und werden auf das Grausamste gefoltert. Sie sollen sich von Falun Gong lossagen. Ihnen gilt der SOS-Notruf „Rettet die Falun Gong Praktizierenden“, für den auch ich durch die Welt reise.

AA: Was erwarten Sie von den Regierenden der Welt?
Zhang: Dass sie sich für die Durchsetzung der Menschenrechte in China einsetzen. Ich konnte schon viele gute Erfahrungen machen. Offiziell haben wir bereits mehr als 60 populäre Personen gewinnen können, die unser Anliegen direkt unterstützen, unter ihnen auch der australische Ministerpräsident.

AA: Was erwarten Sie, wenn westeuropäische Staatschefs nach China reisen?
Zhang: Die Menschenrechtssituation in China ist jedem Land bekannt. Ich kann immer nur hoffen, dass nicht nur wirtschaftlicher Erfolg im Mittelpunkt steht. Wir erwarten, dass ganz klar die Einhaltung der Menschenrechte angemahnt werden, so unbequem das auch ist. Was sich in China abspielt, hat mit 21. Jahrhundert nichts mehr zu tun.
Natürlich bin ich gespannt, was Ihr Bundeskanzler Schröder kürzlich dazu getan und erreicht hat. Viel habe ich diesbezüglich noch nicht gehört.
Uns geht es wahrlich um elementarste Menschenrechte wie Glaubensfreiheit, um die Freilassung von Falun Gong Praktizierenden, um die Beendigung von Folter.

AA: Sie sind Gast im Jenaer Frauenzentrum TOWANDA. Was ist Ihr Anliegen?
Zhang: Zum Beispiel hoffte ich, mit den Medien über die Probleme sprechen zu können. Schön, dass wenigstens Sie gekommen sind. Mir geht es schlichtweg um die Verbreitung der Wahrheit. Dann habe ich gehört, dass hier eine Übungsgruppe Falun Gong sich wöchentlich einmal treffen will. Gern gebe ich meine Erfahrungen weiter.

AA: Wie geht es nach Jena weiter?
Zhang: Zunächst gehe ich nach Leipzig, anschließend nach Russland, Holland und Japan. In Japan z.B. werde ich auch meine Bilder in einer eigenen Ausstellung zeigen.

AA: Vielen Dank für das ausführliche Gespräch, Erfolg in Ihrem Bemühen um die Einhaltung der Menschenrechte im Heimatland China.

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