Teil 1: Der Organhandel in China könnte ein 8-10 Millionen Dollar Geschäft sein

Im Mittelpunkt des Organhandel-Phänomens steht die Verfolgung der Meditationsgruppe Falun Gong. Die chinesische Regierung versucht seit längerem mittels Inhaftierungen, laut Zeugen mit Inhaftierungen in Arbeitslagern, sogar die Existenz der Gruppe auszulöschen. Gutmanns Untersuchungen zufolge werden sie häufig die Opfer des Organhandels. In unserem Gespräch ist sogar eine mögliche Vorbereitung von Genozid die Rede.

Das unterstehende Interview und die dazugehörigen Videomaterialien reflektieren nicht die Meinung des Bloggers, dafür wird keine Verantwortung übernommen. Das Ziel ist nicht China, die chinesische Regierung oder Militär im schlechten Licht darzustellen, sondern die Zusammenfassung der Untersuchungen, die aus dem Buch hervorgehen, zu beleuchten.

Hintergrund zu Falun Gong:

Die Meditationspraxis Falun Gong wurde nach ihrer Einführung 1992 in China schnell populär, in den Anfängen genoss sie sogar die Unterstützung der chinesischen Regierung. Nachdem ihre Mitgliederzahl zu der Zeit aber auf 70-100 Millionen geschätzt wurde und die Partei zu der Zeit nur ca. 65 Millionen Mitglieder hatte, wurde die Gruppe als potentielle Gefahrenquelle eingestuft und es wurden gezielt Maßnahmen auf ihre Vernichtung begonnen. Dieser Prozess ging so weit, dass die Anhänger teilweise in Arbeitslager eingeliefert wurden.

I: Bevor wir über Journalismus, investigativen Journalismus oder China zu sprechen kommen, sprich bitte ein wenig über Dich. Woher kommst Du, wo bist Du geboren?

„Es ist nicht wirklich interessant, ich bin 1958 in Chicago geboren und meine Eltern waren Psychologen. Wir hielten uns oft im mittelwestlichen [Teil der USA] auf, in Vermont fühle ich mich am meisten zu Hause, wegen der Berge, ich bin ein Mann vom Lande. Wir sind aber auch oft in den Dritte-Welt-Ländern herumgereist und das hat mir später viel geholfen.

Die Arbeit meiner Eltern hat ebenfalls viel Hilfe geboten, es ist ein ähnlicher Beruf wie der investigative Journalismus. Du brauchst Ehrlichkeit, du musst sehen, was wirklich wahr ist und was nicht. Wegen der Reisen mit meiner Familie war es für mich nicht ungewöhnlich in China zu sein, obwohl es natürlich nicht wirklich ein Dritte-Welt-Land ist.

Das hatte einen großen Einfluss auf mich. Damals beobachtete ich meinen Vater dabei, wie er mit den Menschen redete. Ich sah, wie man Geduld übt; ich sah, dass die Menschen die Wahrheit aussprechen wollen und dazu brauchen sie manchmal viel Zeit.

Sie können unwichtiges Zeug von sich geben, bevor sie wirklich auf den Punkt kommen. Ich habe gesehen, dass er wirklich die Geduld dazu hatte. Das war sehr wichtig bei den Interviews mit Falun Gong[-Praktizierenden]. Sie hatten unerhörte, grausame Erlebnisse durchlebt, sie waren wortwörtlich schwer verletzt. Oft musste man ganz tief vordringen.“

I: War die Religion ein Teil Deiner Erziehung?

„Nein, nicht wirklich. Aber ich habe mit religiösen Menschen gearbeitet, ihre Gesellschaft ist mir angenehm. Es fehlt aber dazu das Gen in mir.“

I: Ich frage deswegen nach der Religion, weil für Deine Empathie irgendeine Quelle vorhanden sein muss, für die Hilfe, die Du denen bietest, die in Schwierigkeiten sind.

„Das kommt teilweise von meiner Mutter, sie war voller Empathie. Nicht immer effektiv, aber immer voller Empathie. Sie hat sich wahrhaft um die Menschen gekümmert, das war ein wichtiger Teil ihrer Arbeit. Ich habe einige Briefe ihrer Patienten gesehen, sie waren unglaublich: „Danke, dass Du Licht in mein Leben gebracht hast“, solche Briefe hat sie erhalten. Und ich habe gelernt Empathie zu zeigen, aber wenn du etwas lange Zeit vorspielst … nach einer Zeit wird es zur Realität.

Ursprünglich wollte ich mich gar nicht mit dem Organhandel beschäftigen. David Kilgour hat schon eine Studie diesbezüglich abgeschlossen. Mich hat eher der Konflikt zwischen dem chinesischen Staat und Falun Gong interessiert. Das waren unglaubliche Geschichten von Menschen, die vom Tor der Hölle zurückgekehrt sind. Ich wurde immer emphatischer mit den Betroffenen und das hat mir geholfen, die wirkliche Story zu bekommen.

Die Chinesen haben sich sehr an Propaganda gewöhnt. Wenn jemand aus China kommt, dann versucht er mit seiner „Anti-Propaganda“ zu argumentieren. Aber das kann ich nicht. Ich musste warten, die Betroffenen mögen. Vor allem dann, wenn sie sehr hart waren.

Menschen, die das Arbeitslager überlebt haben, sind sehr hart und außergewöhnlich. Mir fällt eine Frau ein, eine unglaublich harte Frau. Sie hat mit den Wärtern gekämpft, sie hat sie verbal angegriffen, sie angeschrien. Das ging so weit, dass die Wärter angefangen haben, Papiermasken zu tragen, damit sie unerkannt blieben, die Arbeit der Frau war dermaßen effektiv. Sie hat ernsthafte Störungen im System verursacht.

Mit ihr musste ich auch dahin kommen, dass sie über sich selbst, über ihre Träume redete. An diesem Punkt treffen sich die Psychologie und der investigative Journalismus. Unser Gehirn ist wie ein Computer, wir sagen oft, „ich schlafe eine Nacht drüber“. Das Gehirn nimmt alle Möglichkeiten durch, sie z. B. wurde für die unfreiwillige Organentnahme vorgesehen, deshalb wurde sie oft untersucht, aber sie kannte den Grund nicht.

Sie hat aus einem ihrer Träume die Antwort bekommen. Sie träumte, dass aus den Kitteln der Ärzte, die um ihr Bett herum standen, Fleischstücke heraus fielen. Ein klareres Bild ist im Zusammenhang mit Organhandel kaum vorstellbar, als ob das aus einem Horrorfilm aus Hollywood stammen würde.

Ihr Unterbewusstsein hat alle Möglichkeiten abgewogen, warum sie untersucht wurde und das war das Ergebnis. Sie fand heraus, dass es möglich sein könnte, sogar sehr wahrscheinlich sei. Sie hatte Recht, wenn sie einen besseren Gesundheitszustand gehabt hätte, hätten sie sie mit Sicherheit für den Organraub benutzt.

I: Bevor wir auf die Einzelheiten des Organhandels zu sprechen kommen, noch eine persönliche Frage. Wie gehst Du mit diesen Geschichten um? Aus meiner Sicht ist es unumgänglich, dass sie auf den Menschen wirken.

„Sie wirken auf mich, ich bin in vielerlei Hinsicht normal. Wir haben viele, ungefähr 45 Menschen interviewt, die aus den Arbeitslagern kamen und an einem Punkt konnte ich nur noch sagen: „Na, noch einer!“ Da hat mein Assistent gesagt, dass es Zeit wäre, das Buch zu schreiben. In beide Richtungen kann der Mensch gehen, er kann sensibler oder auch unsensibler werden.

Wenn meine Arbeit öffentlich angegriffen wird und sie kommen damit, dass Falun Gong eine Sekte ist, dann kann ich wirklich hart werden. Weil ich nämlich ein Teil ihrer Gesellschaft wurde, ich hatte ein kleines Zimmer an ihrem Wohnort. Nach einer Weile fragten sie mich nicht mehr, warum ich da bin. Ich habe gesehen, dass sie viele innere Konflikte haben, es gibt oft Streit, sie sind nicht einig in manchen Sachen. Manche gehen ihre eigene Wege.

In einer Sekte gibt es sowas nicht. Es werden viele falsche Informationen über sie verbreitet, da kann ich schon mal ärgerlich werden. Z. B. hat eine Dame auf einer Konferenz behauptet, dass sie [die Falun-Gong-Anhänger – Anm. d. R.] einmal ein Gebäude eingekreist hätten, weil sie angeblich Leute angreifen wollten. Doch sie waren nicht deswegen dort, sondern weil sie von den chinesischen Behörden dorthin beordert wurden.

Wenn jemand so was sagt und ich weiß, weil ich mit 25 unterschiedlichen Menschen Interviews gemacht habe, die an dem Tag dort vor Ort waren. Da waren Soldaten mit Bajonetten und überall auf der Straße waren Kameras, damit man die Gesichter der Falun-Gong-Anhänger identifizieren konnte. In solchen Situationen kann ich mich nur schwer zügeln. In mein Buch habe ich nur Fakten geschrieben, ich war objektiv beim Schreiben. Ich stehe hinter jedem Wort, deswegen hat die Fertigstellung auch so lange gedauert.“

 

Bericht auf Ungarisch

Wird fortgesetzt…

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