Was ich von meinen Mitpraktizierenden gelernt habe

Sehr geehrter Meister,liebe Mitpraktizierende,

wann immer ein Aufruf zum Schreiben von Erfahrungsberichten kommt, fühle ich mich nicht angesprochen oder möchte keinen Erfahrungsbericht schreiben. So als ob ich keine Erfahrungen gemacht hätte, die es sich lohnt aufzuschreiben. Das ist eigentlich ein alarmierendes Zeichen. Habe ich mich denn nicht kultiviert und dabei keine Erfahrungen gemacht? Trete ich seit Langem auf der Stelle? Als ein Mitpraktizierender mich im Vorfeld dieser Fahui anrief und sich mit mir über das Schreiben eines Erfahrungsberichtes austauschte, kam ich auf einmal ins Erzählen und bemerkte, dass ich doch ein paar Erfahrungen gemacht hatte, von denen ich berichten kann. Wenn ich von ihnen erzählen kann, kann ich sie auch aufschreiben. Mir kommen meine Erfahrungen und Erkenntnisse zwar noch immer klein und nicht besonders hilfreich für andere vor, aber das einzuschätzen, ist wohl nicht meine Sache. Und selbst wenn die Erfahrungen und Erkenntnisse klein sind und anderen nicht unbedingt weiterhelfen, steht dies jedenfalls dem Verfassen dieses Berichtes nicht entgegen. Es sollte vielleicht auch kein Kriterium für das Verfassen eines Erfahrungsberichtes sein. Denn das Verfassen des Berichtes selbst ist eine Gelegenheit, sich mit den eigenen Erfahrungen noch einmal auseinanderzusetzen und gegebenenfalls neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Vor einiger Zeit ist die Betreuerin unseres Übungsplatzes umgezogen und ich durfte diese Aufgabe übernehmen. Im vergangenen Jahr haben wir vermehrt Infotage veranstaltet. Da die frühere Betreuerin alle Materialien wie Flyer, Stand usw. hatte und wir nun nicht mehr auf diese Ressourcen zurückgreifen konnten, mussten wir alles neu anschaffen. Glücklicherweise hatten meine Frau und ich zu diesem Zeitpunkt Arbeit und wir hatten das Geld, alles Notwendige anzuschaffen. Es hat zeitlich genau gepasst – das war sicher kein Zufall.

Als die Betreuerin umzog, machte ich mir auch etwas Sorgen, dass wir nun nicht genügend Praktizierende in unserer ohnehin kleinen Gruppe sein würden. Doch auch hier fügte sich alles sehr gut. Eine damals noch neue Praktizierende übernahm immer mehr Aufgaben und brachte sich sehr gut ein. Ein Praktizierender aus einer nahegelegenen Stadt kam regelmäßig zu einem unserer zwei wöchentlichen Lesetreffen und zu den Infotagen. Überdies kamen Praktizierende aus anderen Städten der Region auch aus weiter entfernten Städten, um uns zu unterstützen. Wir waren nun regelmäßig mehr Praktizierende als zuvor. Zwei Praktizierende aus etwas weiter entfernten Städten kamen zu fast jedem Infotag und nahmen auch regelmäßig über Sonant an unseren Lesetreffen teil. An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich bei meinen Mitpraktizierenden bedanken: Es ist ein Privileg, mit euch in dieser Zeit zusammen zu sein, sich zusammen zu kultivieren und zusammen Aktionen wie die Infotage durchzuführen! Das gemeinsame Lesen und Austauschen gibt mir sehr viel.

Infotage – Gelegenheiten der Kultivierung

Auch die gemeinsamen Infotage gaben mir die Möglichkeit, mich zu kultivieren. An einem Infotag, an dem ich nicht teilnehmen konnte, ging ein Mitpraktizierender, den ich sehr schätze, wegen privater Erledigungen für einige Zeit vom Stand weg. Und das, obwohl die Läden nach dem Ende des Infotages noch zwei Stunden geöffnet haben würden. Am Stand waren dann nur noch zwei Praktizierende. Das regte mich sehr auf. Ich war empört. Für mich war das undenkbar, war es doch so, als ob man seine Kameraden mitten in der Schlacht im Stich lassen würde. Ein anderer Praktizierender sagte mir in diesem Zusammenhang sinngemäß, dass er bei Infotagen dankbar sei für jede Hilfe, die er bekomme und für jeden, der sich einbringe und dass es bei seinen Infotagen viel harmonischer ablaufe, seitdem er diese Einstellung habe. Ich erkannte, dass er natürlich recht hatte. Sich zu ärgern, wenn etwas nicht nach den eigenen Vorstellungen läuft, hilft nicht nur nicht weiter, sondern es ist egoistisch, weil man nicht bei sich selbst sucht, sondern Erwartungen an den anderen stellt. Musste ich nicht viel eher dankbar sein, dass dieser Praktizierende überhaupt den Weg auf sich genommen und sich die Zeit genommen hatte, unseren Infostand zu unterstützen? Immerhin habe ich doch keinen Anspruch darauf, dass er dabei ist! Hätte er vorher gesagt, dass er früher gehen müsse – ganz gleich aus welchem Grund – hätte es mich auch nicht gestört. Was war also los? Ich haftete an einer oberflächlichen Form, wie ein Infotag meiner Meinung nach abzulaufen habe, und war nicht auf das Ziel des Infotages fokussiert, möglichst viele Menschen zu erreichen.

Aber das war noch nicht alles: Ich ärgerte mich, dass sich jemand nicht an die Regeln oder Absprachen hielt, die wir uns für die Infotage gegeben hatten. Auch das ist nur ein Festhalten an einer äußeren Form, anstatt sich auf die eigentliche Sache zu konzentrieren. Dann fiel mir aber auf, dass das nicht fair war. Immerhin hatten wir zwar diese Regeln gemeinsam besprochen, aber niemals mit diesem Praktizierenden. Er musste nach den Infotagen meist gleich gehen, um nach langer Fahrt noch rechtzeitig wieder zu Hause zu sein. War es nicht an mir, diese Regeln mit ihm zu besprechen? Woher sollte er sonst davon wissen? (Erst jetzt beim Schreiben des Erfahrungsberichtes fällt mir auf, dass wir nie vereinbart hatten, dass man die ganze Zeit über beim Infostand zu sein hat.)

Ich hatte es aber immer vor mir hergeschoben und vermieden, mit ihm über unsere Vereinbarungen zu reden, wie wir uns am Stand verhalten wollten und sollten. Warum? Weil ich Angst hatte, dass es ein unangenehmes Thema sein könnte und weil ich einen Konflikt befürchtete. Ich wollte niemandem etwas sagen, was er nicht hören wollte. Oberflächliche Harmonie war mir wichtiger. Dies merkte ich auch bei anderen Situationen, wenn mir etwa am Infostand auffiel, dass jemand mit dem Herzen oder in Gedanken woanders war und sich zum Beispiel mit anderen Praktizierenden austauschte oder über alltägliche Dinge unterhielt. Ich wollte lieber nichts sagen, auch wenn es mir auffiel. Wenn ich aber etwas sagte, war es meist überhaupt kein Problem. So war es auch mit diesem Praktizierenden: Als ich ihn einige Zeit später ansprach, war es nur ein ganz kurzes Gespräch und das Thema war vorbei. Es war wirklich „Wandlung nach dem Herzen“, die ein kleines Problem in meinen Gedanken aufgeblasen hatte.

Kultivierung anlässlich der Fahui in San Francisco

Eine weitere wertvolle Erfahrung war meine Teilnahme an der Fahui in San Francisco im vergangenen Jahr. Letztes Jahr bin ich zur Fahui in die USA gereist, weil ich das Geld dazu hatte – das war mit einer Ausnahme bisher nie der Fall gewesen. Hätte ich aber gewusst, dass der Meister nicht kommen würde, wäre ich nicht dorthin gereist. Dass der Meister schließlich nicht kommen würde, war traurig, aber letztendlich genau das, was ich brauchte, um aufzuwachen. Der Meister hat so oft darüber gesprochen, dass wir eine Fahui ernst nehmen und schätzen sollen und selbst dafür sorgen müssen, dass unsere Ressourcen, die wir dafür aufwenden, sich für unsere Kultivierung lohnen. Und dennoch war ich eigentlich wegen des Meisters und nicht wegen der Fahui gekommen. Während ich in der Fahui noch ganz gefasst war, war ich anschließend doch sehr traurig, den Meister nicht gesehen zu haben. Erst anschließend gelangte ich im Gespräch mit einer Mitpraktizierenden zu der eben beschriebenen Erkenntnis.

Aber die Fahui in San Francisco hat sich sehr für mich gelohnt: die Gespräche mit Mitpraktizierenden, die Aktivitäten und die Erfahrungsberichte – alle haben mir sehr weitergeholfen. Insbesondere die Mahnwachen vor dem chinesischen Generalkonsulat waren sehr ermutigend für mich: Ich nehme keine oder kaum Dinge in anderen Räumen wahr. Wenn ich aufrichtige Gedanken aussende, merke ich lediglich, dass ich manchmal konzentrierter und manchmal weniger konzentriert bin. Manchmal wird mir eigenartig warm, aber wahrnehmen, was meine aufrichtigen Gedanken bewirken oder dass sie überhaupt etwas bewirken, tue ich nicht – jedenfalls nicht direkt.

Anders vor dem Konsulat: Als wir am ersten Abend da waren, was es dort unheimlich kalt. Dabei war es den ganzen Tag warm gewesen – egal wo, auch noch auf dem Weg zum Konsulat. Kaum hatte ich mich hingesetzt, erfasste mich eine eisige Kälte. Zwischenzeitlich wollte ich eigentlich nur noch nach Hause, so kalt war mir. Aber ich wollte auch unbedingt bis zum Ende der Mahnwache durchhalten. Als wir am nächsten Abend dort waren, war es schon weniger kalt. Als wir am letzten Tag vor dem Generalkonsulat aufrichtige Gedanken aussendeten, saßen wir alle im T-Shirt da, weil es gar nicht mehr kalt war. Für mich zeigte es die Kraft, die viele Praktizierende gemeinsam ausüben können und dass sie viel Schlechtes in anderen Räumen beseitigen können. Es zeigte mir aber auch, dass ich durchhalten muss und es oft keine schnelle Lösung oder einen schnellen Erfolg gibt. Das testete auch meine eigene Entschlossenheit und Überzeugung, ob das, was ich tue, das Richtige ist und auch etwas bringt.

Die Erfahrungsberichte in San Francisco führten mir vor Augen, dass es wichtig ist, selbst Verantwortung zu übernehmen, wenn es um Projekte und Aktivitäten zur Aufklärung über die wahren Hintergründe der Verfolgung von Falun Dafa in China geht. So habe ich verstanden, dass es wichtig ist, dass ich mich auch selbst hinterfrage, ob das, was ich regelmäßig mache, auch in dieser Form effektiv ist und was ich besser oder auch ganz anders machen kann. Darauf zu warten, dass ich gebeten werde, eine bestimmte Aufgabe zu übernehmen oder einfach das zu tun, was gerade ansteht, ist wohl nicht immer ausreichend. Das ist vielleicht auch nur eine andere Form davon, passiv zu sein. Das aber erfordert nicht nur, dass ich mir Gedanken mache und einen Plan oder eine Strategie für mich erarbeite, sondern vor allem auch, dass ich mich ständig als Praktizierenden betrachte und mir meiner Verantwortung bewusst bin. Das fällt mir teilweise schwer.

Eigensinne wirklich als schlecht und böse erkennen und ablegen wollen

Abschließend möchte ich eine Erkenntnis mitteilen, die für mich sehr wichtig ist. Ein Praktizierender aus unserer Übungsgruppe erzählte bei einem Austausch davon, wie er erkannt habe, dass er barmherziger sein musste, dass er sich in dieser Hinsicht noch besser kultivieren wolle. Er habe eine Kaltherzigkeit in sich gespürt, die er nicht mehr haben wolle. Dann habe sich etwas in ihm gelöst und er habe gespürt, dass er seitdem barmherziger sei. Dies zeigte mir auf, wie wichtig es ist, die Dinge nicht nur vom Verstand her zu begreifen: Manchmal begreife ich ein Problem oder sehe einen Eigensinn und weiß, dass ich diesen loslassen soll und dass ich etwas ändern muss. Das bleibt aber nur an der Oberfläche. Manchmal weiß ich auch nicht, was oder wie ich etwas ändern oder loslassen soll. Das ist dann nur der erste Schritt, ganz so, als ob ich etwas erkenne, aber dennoch auf der Stelle trete und nicht vorwärts komme.

Natürlich kann ich versuchen, etwas im Außen zu tun, und mich zwingen, z. B. mein Verhalten zu ändern. Das ist aber irgendwie auch nur ein Anfang und in meinen Augen dem sehr ähnlich, was der Meister im Zhuan Falun über die Kultivierungsmethode der früheren Mönche in den Klöstern schreibt, nämlich – in meinen Worten, – dass deren Eigensinne über die lange Trennung von den sie auslösenden Umständen abgeschwächt werden.

Aus der Erfahrung meines Mitpraktizierenden habe ich erkannt, wie wichtig es ist, wirklich im Herzen oder mit seinem ganzen Wesen zu erkennen, wie schlecht und hässlich ein Eigensinn ist, um ihn dann wirklich loslassen zu wollen. Dann will ich ihn wirklich aus dem Herzen heraus nicht mehr haben und kann ihn loslassen. Nur zu sehen, dass ein Eigensinn mich bei meiner weiteren Kultivierung hindert und ich ihn deshalb loslassen wollen muss, ist für mich eine strebsame Kultivierung und lediglich ein intellektuelles oder oberflächliches Erkennen eines Eigensinns und ein nur auf dieses Element begrenzter Wunsch, ihn loszulassen. Ich möchte in dieser Hinsicht aufrichtige Fortschritte machen und meine Eigensinne wirklich loslassen.

Ich möchte dem Meister dafür danken, dass er mir die Chance gibt, mich in dieser Umgebung zu kultivieren. Ich möchte meinen Mitpraktizierenden danken, die ich so schätze und deren Gesellschaft mir so viel gibt.

Dies sind meine Erkenntnisse auf meiner momentanen Ebene. Sollte etwas unangemessen sein, bitte ich um Verzeihung und einen barmherzigen Hinweis, sodass ich daraus lernen kann.

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