Aufrichtig nach Innen schauen

Geschätzter Meister!
Geschätzte Mitpraktizierende!

Aufrichtig nach Innen schauen

Seit der Schwangerschaft bzw. seit der Geburt unserer Tochter tauchten zwischen meinem Mann und mir immer wieder Spannungen auf, die es davor nie gegeben hatte. Häufig stritten wir uns sogar und wurden richtig böse aufeinander, was ich von uns nicht kannte. Mir kamen die „Probleme“ einerseits häufig an den Haaren herbei gezogen und andererseits nicht besonders „kultiviert“ vor. Ich dachte mir: „Diese Art der Auseinandersetzung sollte doch wirklich nicht die unter Kultivierenden sein“ und versuchte diese Situationen zumeist als Prüfungen aufzufassen, ob ich denn ein ruhiges Herz bewahren konnte und mich nicht von meinem Weg abbringen ließe.

Ersteres schaffte ich so gut wie nie. Und wenn, dann auch nur vermeintlich, denn nach ein oder zwei Tagen nicht Lockerlassens von Seiten meines Mannes, wurde ich wieder wütend und ich dachte mir dabei: „Nicht wütend sein, leicht nehmen“, schaute dabei aber nicht nach Innen und ging stur meinen Weg weiter. Ich ignorierte ihn und seinen Aufschrei und tat es als „Anfall“ ab. Ich versuchte, mich einfach nicht bewegen zu lassen. Im Endeffekt eskalierte die Situation, da sich mein Mann ignoriert vorkam, denn ich bewegte mich äußerlich tatsächlich nicht, machte keinen Schritt auf ihn zu und verschloss mein Herz immer mehr, das sich ja eigentlich doch bewegte.

Heute verstehe ich, dass die Situation in Wirklichkeit eskalieren musste, da ich es nie wirklich schaffte, aufrichtig nach Innen zu schauen, sondern die Sache einfach von mir weg und zu ihm hin schob. Ich bewertete sie mit Gedanken wie: „Das ist sein Problem“, „da muss er sich kultivieren“, „fa kann ich nichts machen, nur versuchen, es irgendwie mit ihm durchzustehen“ usw. Erst, als mein Mann in seiner Verzweiflung wirklich verletzende Worte zu mir sagte, begann es bei mir zu dämmern, dass ich vielleicht am Zug war, etwas zu tun.

Auch wenn ich sehr von seinen Worten verletzt war, wusste ich, dass nicht sein wahres Ich zu mir sprach. Das half mir, einen Funken Klarheit und Abstand zu bewahren. Da sie mich aber dennoch so berührten, war mir klar, dass es etwas bei mir geben musste, das ich bisher nicht sehen konnte, es aber nun an der Zeit war bzw. die Möglichkeit bestand, dies endlich aufzudecken.

Um zu verstehen, was sich in mir rührte, schrieb ich die zwei oder drei Aussagen meines Mannes, die mich am meisten bewegten und mir am stärksten in Erinnerung waren, direkt nach der eskalierten Situation auf einen Zettel und las sie immer und immer wieder durch. Dabei wurde ich interessanterweise sehr ruhig, obwohl es doch solch harte Worte für mich waren. Ich fragte mich: „Warum treffen mich diese Worte so sehr? Welcher Punkt wird dabei bei mir berührt, den ich nicht sehen kann?“

Nach einer Weile fügte sich dann langsam ein Verständnis aus all den bisherigen, von mir zumeist ignorierten Äußerungen meines Mannes zusammen, das mir selbst einen ganz neuen Blickwinkel auf mich selbst schenkte. Ich konnte plötzlich „hören“, was er all die letzten Monate zu mir gesagt hatte.

Mit einem Mal verstand ich, dass es nicht bloß ein „Problem“ meines Mannes war, sondern sehr wohl auch mich selbst betraf. Ich entdeckte, dass ich die ganze Zeit über wie mit einem Tunnelblick, zielgerichtet und ohne nach links oder rechts zu schauen, stur meinen Weg in der Kultivierung gegangen war und mich kein einziges Mal gefragt hatte, wie es denn den Menschen in meiner Umgebung damit ging. Ich erkannte, dass ich alles, was früher war, hinter mir lassen wollte, alles Schlechte ablegen wollte, um möglichst schnell an mein Ziel – zur Erleuchtung – zu gelangen.

Sagt der Meister nicht: „Du sollst strenge Anforderungen an dich stellen, aber wir erlauben dir, dich langsam zu erhöhen. Wenn du es heute auf einmal erreichen würdest, wärst du heute schon ein Buddha, das ist auch unrealistisch.“ (Zhuan Falun, Lektion 4, Verlust und Gewinn)? Ich aber wollte einige wichtige Schritte überspringen, die ich bis dahin als Kleinigkeit und Nichtigkeit verstanden oder überhaupt nicht gesehen hatte. Heute verstehe ich, dass ich jeden einzelnen Schritt in meiner Kultivierung gehen muss, ich kann nichts überspringen, auch wenn es mir manchmal sehr langsam vorkommt.

In der Fa-Erklärung in Kanada 2006 sagte der Meister:
„So ist es bei der Kultivierung nicht so, wie man sich das selbst vorstellt. Ihr sollt nicht denken, dass nur die Kultivierung wichtig und alles andere unwichtig wäre – die Familie wäre unwichtig, die Gesellschaft wäre unwichtig, nichts anderes wäre wichtig. Wenn ihr all diese Dinge gut ausbalancieren könnt, dann ist dies genau der Weg, den ihr gehen sollt. Ich habe gesagt, dass ihr euch so gut wie möglich der Form der menschlichen Gesellschaft entsprechend kultivieren sollt.“

Ich bemerkte, wie ich in all den letzten Monaten keinerlei Verständnis, echtes Interesse oder Unterstützung meinem Mann gegenüber aufgebracht hatte, sondern lediglich darauf bedacht war, meine Kultivierung gut zu machen, meinen Weg richtig zu gehen und dabei nicht gestört werden wollte. Dabei hatte ich jedoch überhaupt nicht an die Anderen gedacht! Aber lehrt uns der Meister nicht, dass wir zu allererst an die Anderen denken sollen? Ich war zutiefst bestürzt über diese Erkenntnis, dass ich nicht nur sehr lange Zeit nicht ernsthaft nach Innen geschaut, sondern auch meine Umgebung nicht gut harmonisiert hatte. Mit einem kräftigen Schlag mitten ins Gesicht konnte ich klar sehen und begreifen, dass ich es war, die nicht gut gehandelt und sich dementsprechend auch nicht gut kultiviert hatte.

Hindernisse beim nach Innen schauen

Dank einer Praktizierenden, die mir in dieser Zeit empfahl das Jingwen „Der Vollendung entgegen“ aus Essentielles für weitere Fortschritte II wieder zu lesen, wurde mir klar, dass ich meine eigenen Wünsche im Fa bestätigt sah. Ich war, als ich das Fa erhalten hatte, so glücklich, endlich ein sinnvolles Leben als guter Mensch führen zu können, ohne ins Kloster gehen zu müssen, einen Weg gefunden zu haben, der mir zeigt, wie ich der Mensch sein kann, der ich immer sein wollte, aber alleine nicht geschafft hatte. Doch hatte ich diesen Eigensinn bisher nicht abgelegt und so las ich auch das vom Meister verbreitete Fa durch diese Brille und sah mich selbst immer wieder darin bestätigt. Heute verstehe ich, dass ich damit mich und meine Anschauungen über den Meister, über das Fa gestellt, und mir selbst den Weg zur Erkenntnis und Erhöhung versperrt hatte.

Der Meister schreibt:
„Mit Eigensinn das Fa lernen ist keine wahre Kultivierung. Aber man kann während der Kultivierung allmählich eigenen grundlegenden Eigensinn erkennen, beseitigen und damit den Maßstab eines Kultivierenden erreichen. […] Das Dafa hat grenzenlosen inneren Sinn und erschafft alles auf jeder Ebene des Kosmos; natürlich auch alles in der Menschheit. Deshalb werden […] alle Menschen im Fa die Seite sehen, die sie selbst für gut halten. Manche haben wirklich die Grundsätze des Dafa gesehen; es gibt auch viele Schüler, die mit ihren menschlichen Anschauungen verschiedene Sehnsüchte und Wünsche des Menschenlebens im Dafa gefunden haben. Angetrieben von solch einem eigensinnigen Menschenherzen sind sie zur Kultivierung im Dafa gekommen. […] Du kannst unter der Wirkung solcher Gedanken durch die Tür des Dafa gekommen sein, aber während des Kultivierungsvorganges musst du dich selbst als kultivierenden Menschen betrachten; beim späteren Lesen des Buches, Lernen des Fa und unter beständigem Vorankommen musst du klar erkennen, mit welcher Denkweise du anfangs in das Dafa eingetreten bist. Ob nach einiger Zeit des Kultivierens die anfängliche Denkweise noch da ist, ob dieses Menschenherz dich hier hält? Wenn das der Fall ist, kannst du nicht als mein Schüler gelten. Das heißt, der grundlegende Eigensinn wurde nicht beseitigt und du erkennst das Fa nicht mit dem Fa.“ (Der Vollendung entgegen, Essentielles für weitere Fortschritte II)

In Konfliktsituationen äußerte sich mein falsches Verständnis meistens so, dass ich in dem Moment das Gefühl hatte, völlig dem Fa zu entsprechen und darum keinen Anlass verspürte, nach Innen zu schauen. Heute sehe ich, dass das sehr überheblich ist, da der Meister uns immer und immer wieder lehrt, in JEDER Situation nach Innen zu schauen, sogar wenn man sie nur sieht und nicht direkt involviert ist. Auch wurden konkrete Eigensinne wie Besserwisserei bzw. Rechthaberei und Selbstmitleid dadurch genährt.

Tiefsitzender Eigensinn – vermeintlich gute Qualität

Ich hielt mich schon immer für einen Menschen, der sehr zielgerichtet und konsequent Pläne einhalten, und damit rasch und effizient seine Ziel erreichen konnte. Es gab in meinem Leben bisher kaum eine Hürde oder Herausforderung, die ich nicht angenommen und geschafft hätte. Darauf war ich stolz.

Auch in meiner Kultivierung ging ich Hürden oder Herausforderungen eher mit einem Funkeln in den Augen, als mit einem ruhigen Herzen an. Ich erkannte Eigenschaften und Anschauungen von mir als „schlechte“ und war darum sofort bereit diese aufzugeben bzw. auszurotten. Zum Teil arbeitete ich recht verbissen an der Beseitigung von Eigensinnen und stellte ziemlich hohe Anforderungen an mich, bis ich nicht mehr konnte. Dann fiel ich eigentlich immer in ein Faulheits-Loch, in dem ich keinerlei Herz für meine eigene Kultivierung geschweige denn, die Errettung der Lebewesen aufbringen konnte.

Erst an diesem Abend, als ich die Aussagen meines Mannes wiederholt gelesen hatte, erkannte ich, dass all diese Eigenschaften, die ich zu meinen guten zählte, oft nicht gut gewesen waren. Es handelte sich eigentlich um Stolz, Sturheit und Geltungssucht. Am meisten erschütterte mich jedoch die Erkenntnis, dass meine Kultivierung aus einem grundlegenden Kampfgeist heraus entstand. Sobald ich etwas Schlechtes entdeckt hatte, wurde diesem der Kampf angesagt, ohne Erbarmen. Mit Zwang und Druck gegenüber mir selbst wollte ich diese Dinge vernichten. Mit einem Schlag wurde mir klar, dass ich sehr ins Extrem gegangen war.

Als sich diese Erkenntnis in mir formte, fühlte es sich plötzlich so an, als würde mir eine zweite Haut abgezogen. Es dauerte nur wenige Sekunden. Danach fühlte ich mich jedoch sehr leicht am Körper.

Ich musste an die Worte des Meisters in Zhuan Falun, Lektion 6, Geltungssucht denken:

„Weil wir uns unter den alltäglichen Menschen kultivieren, können viele unserer Lernenden vieles von ihrem Eigensinn nicht loslassen, mancher Eigensinn ist ihnen schon zur zweiten Natur geworden und sie bemerken ihn auch nicht.“

Ich denke, ich habe in diesem Moment genau einen solchen Eigensinn, der mir schon zur zweiten Natur geworden war, entdeckt und auch losgelassen.

Ein weiteres Herz – Klarheit

Nachdem ich diese zweite Haut verloren hatte, fiel ich für mein Empfinden sehr lange in ein Loch. Mein ursprünglicher Antrieb war verloren. Ich konnte mich weder für den Alltag, noch um die Übungen oder FZN zu machen oder das Fa zu lernen wirklich motivieren, tat aber trotzdem so gut es eben ging, was ich zu tun hatte. Ich wusste, dass es um eine grundlegende Veränderung in meiner Kultivierung ging, allerdings war mir nicht klar, was sich wie verändern sollte.

Am klarsten wurde mir mein Zustand, als ich mich in dieser Zeit für einen Verkaufsstand für Shen Yun 2015 in Salzburg gemeldet hatte, den ich äußerst kurzfristig absagte. Ich fühlte mich innerlich so leer, wusste aber im Kopf, dass es eine gute und wichtige Sache war, bei Shen Yun in Salzburg mitzuhelfen. Außerdem dachte ich, dass mir das vielleicht helfen könnte, wieder den richtigen Pfad zu finden. Ich hatte schon länger nicht mehr aufmerksam das Fa gelernt, geschweige denn die Übungen oder konzentriert FZN gemacht.

Am Vorabend des besagten Verkaufsstandes war es ein Hin und Her zwischen „Ich sage ab, ich kann einfach nicht.“ und „Ich fahre hin, denn ich habe gesagt, dass ich komme. Die Leute rechnen mit mir.“ Am nächsten Morgen, nach dem morgendlichen FZN, tauchte wie von selbst die Antwort auf. Ich wusste, dass meine Unterstützung hier zu Hause, mit Fa lernen und aufrichtigen Gedanken, eine bessere sein würde und schrieb dem österreichischen Hauptkoordinator eine SMS, die unter anderem die Worte: „Entschuldige meine Kurzfristigkeit“ enthielt. Die Autokorrektur meines Handys verbesserte dies auf „Entschuldige meine Herzlosigkeit.“ Ich musste wirklich schmunzeln, als ich dies sah, denn es war tatsächlich die Wahrheit. Ich konnte das Herz in diesem Moment einfach nicht aufbringen.

Im Weiteren beschäftigte mich diese Sache der Herzlosigkeit jedoch sehr und ich erkannte, dass es genau das war, worum es im Moment bei mir ging: Nicht nur die Verantwortung, das Wissen und den Kopf, sondern wirklich das Herz für die Kultivierung wiederzufinden. Zu der Zeit antwortete mir ein Praktizierender auf eine meiner Mails bezüglich Kampfgeist an die österreichische Liste, dass es spannend sei, was denn noch überbleibt, wenn der Kampfgeist einmal beseitigt ist. Das gab mir zu denken: Was hat es denn zu bedeuten, wenn nun nichts mehr übrig ist? Macht meine Kultivierung dann überhaupt noch Sinn?

Mir war ganz klar, dass die Kultivierung der einzige Weg für mich war und dass ich mich auch in der letzten Zeit genau auf diesem Pfad befunden hatte. Es waren nur ein paar grundlegende Umwälzungen im Gang und die brauchten ein bisschen Zeit und Geduld. Ich verstand, dass auch diese schwierigeren, zum Teil verwirrten und langsamere Zeiten, manchmal zur Kultivierung dazu gehören.

Diese Erkenntnis half mir, die Dinge für meine persönliche Kultivierung wieder halbwegs umzusetzen. Ich merkte, dass ich ganz unmerklich wieder bei der Sache war und das wirklich mit dem Herzen. Ich versuchte, mich nicht gleich wieder zu überfordern oder zu sehr zu etwas zu drängen, sondern den „natürlichen Lauf“ zu erkennen und diesem zu folgen. Es war etwas ganz Neues für mich, die Dinge langsam anzugehen, Schritt für Schritt und ohne Druck.

Kurze Zeit später fand die diesjährige internationale Fa-Konferenz in New York statt. Als ich an dem Tag der Konferenz zu Hause die Übungen machte, spürte ich ganz deutlich, dass etwas strahlend Helles, vom Scheitel weg meinen Körper durchflutete. In dem Moment schoss mir der Gedanke durch den Kopf: „Das ist Guanding. “ Als ich die Übungen beendet hatte, herrschte eine unbeschreibliche Klarheit in mir. Ich wusste, woher ich komme, warum ich hier bin und was ich zu tun hatte und dass genau dieser Gedanke der einzige war, der mich anleiten konnte.

Seit dieser Erfahrung ist das Herz für die Errettung der Lebewesen entstanden. Es ist kein Zwang mehr oder von mir auferlegter Druck, dass ich dieses oder jenes erledigen muss. Heute habe ich verstanden, dass es bei der wirklichen Kultivierung um das Kultivieren und Öffnen des Herzens geht und nicht um das Erfüllen irgendwelcher Pflichten oder das Einpassen in vorgefertigte Schablonen.

Ich danke unserem Meister für diese Möglichkeit, mich im Dafa zu kultivieren, für seine grenzenlose Barmherzigkeit und seine Hilfe und Unterstützung auf diesem Weg, mir und allen Lebewesen gegenüber.

Ich möchte diesen Erfahrungsbericht mit den barmherzigen Worten unseres großen Meisters auf der diesjährigen internationalen Fa-Konferenz in New York schließen:

„Dafa Jünger, egal was ihr macht, von oben, dem Präsidenten, bis nach unten, dem Bürger, ihr könnt euch alle kultivieren. In allen Berufen kann man ein guter Mensch sein. Alle Berufe der heutigen Zeit sind eine Kultivierungsumgebung, die für Dafa-Jünger erschaffen wurde. Früher hat man sich im Tempel oder im Kloster kultiviert. Aber die heutigen Dafa-Jünger sind für die Errettung der Lebewesen da. Ihre Kultivierungsumgebung wurde überhaupt keiner Einschränkung ausgesetzt. In jeder Umgebung der gesamten Gesellschaft kann man sich kultivieren. So eine große Kultivierungsumgebung wurde geschaffen, weil die Lebewesen errettet werden sollen.“

Danke.
He Shi

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