Doctor in Wien: Wieviel kostet ein Kilo Mensch?

Ausgabe: 10/2013

Nach den USA werden in China weltweit die meisten Organtransplantationen durchgeführt und das, obwohl es in China kein Organtransplantations- oder Spendersystem gibt. Offiziell sind Spenden nur in der Familie erlaubt. Woher kommen also die unzähligen Organe, die in China nicht nur chinesischen Patienten sondern, vor allem, gut zahlenden Transplantationstouristen aus aller Welt verpflanzt werden?

Nach Angaben der chinesischen Regierung stammt der überwiegende Teil der Organe von chinesischen Gefangenen. Bei den Gefangenen handle es sich, nach Auskunft der chinesischen Regierung, um zum Tode verurteilte Verbrecher, die vor der Hinrichtung ihre Einwilligung zur Organentnahme gegeben hätten. Mehr als 90 Prozent der Spender Organe kämen von diesen Gefangenen, nur ein kleiner Teil würde von Unfallopfern stammen.

Ein hoch profitables Geschäft

Während man in Europa und wohl auch in den meisten Teilen der Welt, die Transplantation von Organen von Hingerichteten verwerflich findet, ist man in China hocherfreut über das System. Die chinesischen militärischen Einrichtungen loben das Vorgehen als „beste Einnahmequelle“. Organhandel ist ein hoch profitables Geschäft. Experten, die kürzlich in Wien im Rahmen des Symposiums „Organraub an Lebenden in China“ am 11. Juli 2013 im Presseklub Concordia ihre neuesten Untersuchungsergebnisse präsentierten, haben noch andere Befürchtungen, woher die Transplantationsorgane stammen könnten.

Es wird vermutet, dass ein großer Teil der Spenderorgane von politischen Gefangenen aus der Gruppe der sogenannten Falun Gong-Praktizierenden – sie werden in China seit 1999 verfolgt – stammt. Katharina Grieb, Präsidentin der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte in Österreich, ist über die Praxis des Organraubs an lebenden Falun Gong-Praktizierenden empört: „Sie rauchen nicht, sie trinken keinen Alkohol und sie machen ihre Qi Gong-Übungen. Deshalb sind sie sehr gesund und stellen damit die perfekte Quelle für das Organangebot dar. Diese Menschen sind lebendige Ersatzteillager. Und ihre Organe werden weltweit gerne gekauft.“

Es sind nicht nur Vermutungen, die im Raum stehen. Zahlreiche Fakten belegen die Vorgehensweisen. Der kanadische Menschenrechtsanwalt David Matas: „Verschiedene Beweisstränge belegen eindeutig: Der Organraub ist zu einer geheimen aber lukrativen Industrie Chinas geworden.

Die Falun­Gong ­Bewegung

Falun Gong ist eine spirituelle Bewegung, die ihre Wurzeln in China hat: Der Kern von Falun Gong ist eine Reihe von Übungen, deren Ursprung auf Qi Gong zurückgehen. 1999 haben die Kommunistische Partei Chinas und die chinesische Regierung Falun Gong verboten. Darauf folgten umfassende staatliche Verfolgungen von Falun Gong-Praktizierenden. Hunderttausende wurden verhaftet. Die Verfolgungen machten Falun Gong auch in Europa bekannt belegen eindeutig: Der Organraub ist zu einer geheimen, aber lukrativen Industrie Chinas geworden.“

Organe auf Bestellung

Matas und der ehemalige kanadische Parlamentsabgeordnete David Kilgour wurden im Jahr 2006 von der World Organisation to Investigate the Persecution of Falun Gong (WOIPFG) beauftragt, den Verdacht auf Organraub an Falun Gong-Praktizierenden näher zu untersuchen. Die Resultate der Nachforschungen belegen den systematischen Organraub.

Matas und Kilgour im haben anonyme Telefonate mit chinesischen Spitälern geführt. Das ernüchternde Ergebnis: 15 Prozent der kontaktierten Krankenhäuser haben im Gespräch sogar prahlend zugegeben, frische Organe von Falun Gong-Praktizierenden auf Bedarf anbieten zu können. Darüber haben die beiden Experten auch Patienten befragt, denen in China ein Organ transplantiert wurde. Diese berichteten, dass die Organe innerhalb kürzester Zeit verfügbar waren. Allein diese Tatsache zeige, dass hier Menschen gezielt getötet würden, um die bestehende Nachfrage nach Spenderorganen zum richtigen Zeitpunkt befriedigen zu können, erklärte Matas. So kann man in China unter anderem auch auf Slogans stoßen, die werblich verkünden: „Sie warten nur eine Woche auf eine Leber.“

Die Aussagen der chinesischen Behörden, Spenderorgane nur von Hingerichteten zu verwenden, erscheinen auch fragwürdig, wenn man die Zahlen der jährlichen Hinrichtungen betrachtet. Schätzungen von internationalen NGOs zufolge werden in China jedes Jahr in etwa 5000 Menschen hingerichtet. Es ist unerklärlich, wie es unter der Behauptung, hauptsächlich Organe von Hingerichteten zu transplantieren, jährlich Zehntausende Organtransplantationen geben kann.

Da in China keine offiziellen Statistiken über Hinrichtungen geführt werden, fällt es schwer, verlässliche Vergleiche anzustellen. Was aber ebenfalls an der Verwendung von Organen ausschließlich hingerichteter Personen zweifeln lässt, ist die Tatsache, dass chinesische Häftlinge, aufgrund der schlechten Haftbedingungen, zu einem extrem hohen Anteil an Hepatitis-Erkrankungen leiden und ihre Organe für Transplantationen daher unbrauchbar sind.

Dass sich in China eine regelrechte Industrie für Spenderorgane entwickelt hat, zeigt weiter die Tatsache, dass sofort bei der Aufnahme von Häftlingen ins Gefängnis, Blut- und Gewebeproben der Häftlinge entnommen und die Daten in die Kartei aufgenommen werden. Das betrifft nicht nur zum Tode verurteilte Häftlinge, sondern auch politische Gefangene der Falun Gong-Bewegung. Ethan Gutmann, Autor von „Losing the New China“, erklärt, welches drastische Ausmaß die Systematisierung des Organraubs in China angenommen hat: „Wie beim Holocaust mussten hier die Bürokraten und das ärztliche Militärpersonal extrem kreativ werden und Systeme erschaffen: Haftsysteme, Quarantänesysteme, sogar Gesundheitssysteme. Nachdem das Programm für Blutgruppen-Tests entwickelt worden war, wollte das System der Militärkrankenhäuser Investitionen … nutzen.“

Gutmann zieht einen erschreckenden Vergleich zwischen den aktuellen Ereignissen in China und dem Völkermord im Holocaust, denn was diese beiden Ereignisse verbinde, sei „die Einbeziehung der wichtigsten und zur Ethik verpflichteten Mitglieder der Gesellschaft“ – womit er direkt auf die Mittäterschaft von Ärztinnen und Ärzten anspielt.

Gemeinschaft muss handeln

Im Rahmen des Symposiums wurde auch die Frage erörtert, was auf internationaler Ebene geschehen kann und muss, um den Organraub in China einzuschränken. Ein gutes Beispiel dafür gibt Israel. Dort wurde ein Gesetz geschaffen, das verhindert, dass israelische Patienten in China Organ-Transplantationen durchführen lassen können. Auch in Spanien wurde 2010 ein Gesetz verabschiedet, das jede Form von Organ-Transplantationstourismus verbietet. Von Experten wird gefordert, dass auch andere Länder solche gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen. Grieb appelliert an den Westen, und hier vor allem an die Ärzteschaft, dieses Thema ernst zu nehmen und entsprechend zu reagieren.

Richard Seeber, Mitglied des Europäischen Parlaments, erklärt dazu: „Eine wichtige Voraussetzung, um dem illegalen Handel mit Organen entgegenzuwirken, ist eine verbesserte Koordination bei Organspenden. Die EU-Richtlinie zu Organtransplantationen hat zum Ziel, die grenzübergreifende Organspende in Europa zu erleichtern und kann somit Menschenleben retten.“ Verbindliche Regelungen, die es erlauben, auch über die Grenzen hinweg auf legalem Wege Organe zu spenden, seien ein wichtiger Schritt gegen Or- ganraub. Europa müsse hier mit gutem Beispiel vorangehen, fordert Seeber.

Die Situation in Österreich

In Österreich gibt es etwa 21 Organspender pro eine Million Einwohner. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 15. Auch in Österreich müssen viele Patienten, die eine Organspende benötigen, längere Zeit warten. Ende 2012 waren insgesamt 1036 Personen auf der Warteliste (745 für eine Niere, 103 für eine Leber, 76 für ein Herz, 86 für eine Lunge und 26 für eine Bauchspeicheldrüse). Die Wartezeiten dürften tendenziell länger werden: für eine Niere 43,3 Monate (Zeitraum von 2007 bis 2012), für eine Leber 6,8 Monate, für ein Herz 7,4 Monate und für eine Lunge 5,9 Monate. Zurzeit gibt es in Österreich noch kein Gesetz, dass sich mit Organhandel oder -raub beschäftigt.

Die Organisation „Ärzte gegen erzwungene Organentnahme“ (DAFOH) hat eine Online-Petition an die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte für ein sofortiges Ende der erzwungenen Organentnahmen bei Falun-Gong-Praktizierenden in China aufgelegt:

www.dafoh. org/petition-to-the-united-nations/.

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