Der König

Einmal gab es in einem Königreich eine Zeit blühenden Wohlstands und der Tugend, in welcher es den Menschen gut ging und sie glücklich waren. Doch begannen die Dinge zunehmend dahin zu schwinden, und am Ende stand das Königreich am Rande des völligen Zusammenbruchs. Nach heftigem staatsbürgerlichen Chaos und einer Erkrankung des Königs, einhergehend mit höfischen Unruhen, verschlechterte sich auch die Moral der Menschen dramatisch. Sie verloren allmählich jedes Gefühl für Schicklichkeit und Glauben an den Himmel. Moralischer Niedergang breitete sich in der Bevölkerung in dem Maße aus, als die Menschen die „Marke des Lasters“ schwangen: einen Eid – manchmal als Zeichen des roten Drachens auf dem Unterarm abgebildet – als Zeichen der dramatischen Auflehnung der Menschen gegen Tugend und Gewissen.

Als der König gesundete, sah er all dies und entdeckte, dass er in seiner Schwachheit von einem Mangel an Moral befallen worden war.

Mit der Absicht, in sich selbst zu entdecken, was sein Volk verloren hatte, überließ er die Führung seines Königreichs seinem meistvertrauten Berater, zog seine königliche Robe aus und begab sich, nachdem er sich alltäglich gekleidet hatte, auf eine lange Reise.

Während seiner Reisen fiel er an einem einsamen Platz in Schlaf und hatte einen Traum. Ein göttliches Wesen enthüllte ihm, dass jeder in seinem Königreich aus dem Himmel verbannt würde, wenn sie nicht versuchten, den Eid der Lasterhaftigkeit aufzuheben. Von dem Tage an wanderte der König von Dorf zu Dorf, erzählte den Leuten von seinem Traum, doch keiner hörte auf ihn. Eines Tages stahl ein alter Trunkenbold in einer Schenke ein Stück Huhn. Der Schenkeninhaber lief ihm nach, schwenkte ein langes Messer und schrie ihn an. Er schnappte den Betrunkenen und erstach ihn beinahe, als der König, in der Verkleidung eines gewöhnlichen armen Menschen, hereinkam und den Schenkenwirt zurückhielt.

Der König sagte: „Ich werde für ihn bezahlen“, und der Schenkenwirt sagte, dass nicht nur das Geld erstattet werden müsse, sondern er wolle zumindest noch einen Finger des Kriminellen abschneiden. Und so sagte der König, er werde auch das noch für ihn begleichen. Der Schenkeninhaber schnitt, ohne noch einmal nachzudenken, einen Finger des Königs ab. Der König erlebte großen Schmerz und versuchte intensiv, diesen nicht wahrzunehmen. Mittlerweile murmelte der Dieb etwas und ging seines Wegs.

Der König begegnete bei vielen Gelegenheiten ähnlichen Schwierigkeiten, was zu dem Verlust einiger Zähne und/oder Geld führte, im Erleiden von Konflikten mit Menschen und vielen anderen Problemen, oder in schmerzhaften Hieben resultierte. Allmählich waren die Menschen von seinem aufrichtigen Verhalten betroffen und annullierten ihre närrischen Schwüre.

Eines Tages, als der König (immer noch ärmlich gekleidet) damit beschäftigt war, Menschen die Fakten zu erklären, sie zu überzeugen, ihre perversen Schwüre aufzugeben und wahre Tugend in sich selbst zu suchen, begegnete er einem Mann mit einem Gewehr, der es auf ihn anlegte und hasserfüllte Sätze brüllte. Bei dem Versuch, ruhig und vornehm zu sein, erzählte ihm der König die Fakten über den Schwur. Der Mann war betroffen von der Selbstlosigkeit des Mannes vor ihm, war aber nicht recht bei Verstand und ein tödlicher Irrsinn ergriff ihn in seinem Inneren. Während er versuchte, seine Rage und sein Gehampel auf eigenartige Weise zu unterdrücken, feuerte er sein Gewehr ab und schoss auf den König.

Erstaunte und ängstliche Stimmen erklangen in der Schenke und dann war es für einige Sekunden völlig still. Wie durch ein Wunder wankte der König auf seinen Füßen und sagte, es sei alles in Ordnung. Die Kugel hatte nur eine geringfügige Schramme nahe seiner Schulter hinterlassen. Nachdem er das gesehen hatte, fing der Mann mit dem Gewehr an zu weinen. Er empfand tiefe Reue, widerrief seinen Schwur, ließ das Gewehr fallen und ging mit frohem Gesicht nach Hause.

Nachdem die meisten Leute sich von ihren bösen Schwüren losgesagt hatten und sich die allgemeine Situation gebessert hatte (es gab immer noch einige Aktionen von extremer Gewalt, von denjenigen, die nicht errettet werden wollten), kam das Gericht Gottes.

Die Illusionen wurden in einem Augenblick weggewischt und der König erschien wieder in seinen leuchtenden Kleidern und in glitzerndem Gold. Alle brachen in Tränen aus und bestätigten ihren Herrscher. Schließlich erkannte sich der König selbst und erinnerte sich, wer er einst gewesen war.

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